Missionen

Weltkarte der Basler Mission mit der geografischen Verteilung der Weltreligionen und Regionen der «Heiden», umrahmt von sechs Bildfeldern mit Darstellungen zu den Missionsgebieten China, Indien, Kamerun und Goldküste (Ghana), um 1900. Papier auf Stoff, 42 x 55 cm (Archiv Basler Mission, Basel, BMA 97856).
Weltkarte der Basler Mission mit der geografischen Verteilung der Weltreligionen und Regionen der «Heiden», umrahmt von sechs Bildfeldern mit Darstellungen zu den Missionsgebieten China, Indien, Kamerun und Goldküste (Ghana), um 1900. Papier auf Stoff, 42 x 55 cm (Archiv Basler Mission, Basel, BMA 97856). […]

Missionen sind religiöse Organisationen, deren Ziel die Verbreitung eines meist monotheistischen Glaubens ist. Der Begriff wurde ab dem 16. Jahrhundert für die gezielte Ausbreitung des Christentums unter Andersgläubigen verwendet. Christliche Missionen berufen sich auf den biblischen Missionsbefehl im Matthäusevangelium und beteiligten sich ab dem 16. Jahrhundert an der weltweiten Expansion europäischer Kolonialmächte, um das Christentum in nichtchristlichen Weltgegenden zu propagieren. Sie gehörten zu den ersten global vernetzten Institutionen, durch die europäische und nicht europäische Gesellschaften miteinander in Berührung kamen und nachhaltig verändert wurden.

Geschichte der Mission

Handel und Mission. Detailansicht eines Turmofens aus der Winterthurer Ofenwerkstatt Pfau, Bemalung der Kacheln wohl von David Sulzer, um 1700 (Privatbesitz; Fotografie Andreas Heege, Zug, 2021).
Handel und Mission. Detailansicht eines Turmofens aus der Winterthurer Ofenwerkstatt Pfau, Bemalung der Kacheln wohl von David Sulzer, um 1700 (Privatbesitz; Fotografie Andreas Heege, Zug, 2021). […]

Die Missionsgeschichte lässt sich in fünf Phasen unterteilen. In der ersten Phase vom 2. bis ins 15. Jahrhundert fand die sogenannte Erstmission statt, die zur Christianisierung weiter Teile Europas führte. In der zweiten Phase vom 16. bis zum 18. Jahrhundert trafen europäische Kolonialmächte auf ihren immer häufigeren Expeditionen in Übersee auf nichtchristliche Bevölkerungen. Die katholische Kirche unterstützte die kolonialen Herrschaftsansprüche von Spanien und Portugal und stattete diese mit einem Missionsmonopol aus. Ab 1622 wurde die katholische Mission durch die Propaganda Fide von Rom aus organisiert. Die evangelische Mission erlangte erst mit dem Aufstieg Englands und Hollands zu Kolonialmächten ab dem späten 18. Jahrhundert globale Bedeutung. In der dritten Phase vom 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert führten neue religiöse Impulse und die Antisklavereibewegung zu einem Erstarken der Philanthropie und somit auch der Missionen, die im Verbund mit dem Imperialismus eine Hochblüte erfuhren. Im Gegensatz zu früheren Missionen, die auf die Unterstützung des Adels bauten und unter königlicher Schirmherrschaft standen, stützten sich diejenigen des 19. Jahrhunderts auf Missionsvereine und finanzierten sich grösstenteils über Kleinspenden aus allen Bevölkerungsschichten.

Die vierte Phase wurde durch die Katastrophe des Ersten Weltkriegs eingeläutet und hielt den Missionen aufs Schärfste vor Augen, dass sie zu eng mit dem Imperialismus in den aussereuropäischen Ländern verflochten waren. Sie litten beträchtlich an den Folgen, etwa weil Missionarinnen und Missionare gegnerischer Nationen aus den Kolonien ausgewiesen oder interniert wurden. Die Folge war eine zunehmende Zentralisierung, Professionalisierung und Vereinheitlichung. Mit dem apostolischen Schreiben Maximum Illud (1919) von Papst Benedikt XV. wurde die kulturelle Einwurzelung der katholischen Kirche und die Bildung eines einheimischen Klerus in den Missionsländern zum erklärten Ziel. Sie verurteilte nationale und wirtschaftliche Interessen und schrieb die strikte Neutralität in politischen Fragen fest.

Spendendose für die Missionsarbeit, erste Hälfte 20. Jahrhundert (Archiv Basler Mission, Basel; Fotografie Markus Gruber, Basel).
Spendendose für die Missionsarbeit, erste Hälfte 20. Jahrhundert (Archiv Basler Mission, Basel; Fotografie Markus Gruber, Basel). […]

Die global einsetzende Dekolonisationsbewegung in den 1950er und 1960er Jahren und innerkirchliche Veränderungen wie das Zweite Vatikanische Konzil 1962-1965 kennzeichneten die fünfte Phase. Bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Kritik an den Missionen und ihren Verstrickungen mit dem Kolonialismus immer lauter. Die Missionen sahen sich in der Folge gezwungen, ihre hierarchisch-paternalistischen Strukturen sowie die auf Zwang und Gewalt beruhenden Methoden den neuen Verhältnissen anzupassen. Sie positionierten sich als nichtstaatliche Organisationen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, wobei vermehrt auch Laien eingesetzt wurden. Die Verwaltung von Missionsgebieten durch Orden oder Institutionen in Europa wich der Kooperation mit Kirchen in den ehemaligen Kolonien. Interreligiöser und interkultureller Dialog, Ökumene, Partnerschaft und Projektarbeit wurden zu den neuen Leitmotiven der Missionen.

Auch in der Schweiz begann eine engere Zusammenarbeit zwischen den in der Mission engagierten Organisationen. 1944 entstand der Schweizerische Evangelische Missionsrat (SEMR), 1963 der Schweizerische Katholische Missionsrat (SKM) sowie das Département missionnaire des églises protestantes de la Suisse romande (später DM-échange et mission) und 1964 die Kooperation Evangelischer Kirchen und Missionen (KEM). Ab 1971 publizierten SKM und KEM gemeinsam ein Missionsjahrbuch. Seit 2001 bilden die Basler Mission, die Südafrika Mission, die Herrnhuter Mission und die Evangelische Mission in Kwango den Trägerverein Mission 21. Zu Beginn der 1960er Jahre entstanden das Fastenopfer (seit 2022 Fastenaktion) der Schweizer Katholiken und auf reformierter Seite Brot für Brüder (ab 1990 Brot für alle, 2022 Zusammenschluss mit dem Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, Heks). Beide Hilfswerke gehörten 1992 zu den Gründern der Max-Havelaar-Stiftung Schweiz, die einen fairen Handel mit Produkten aus Ländern des Südens anstrebte (Dritte Welt).

Jutetaschen der Erklärung von Bern mit den Aufschriften «Jute statt Plastic», «Solidarité – Jute – Ecologie» und «Perché Juta?», 1976, und Fastenopfer-Sammeltüte mit dem Slogan «wir teilen – partageons – condividiamo – nus partain», um 2000 (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich, F Oc-0002-085 und F 5028-Fx-004).
Jutetaschen der Erklärung von Bern mit den Aufschriften «Jute statt Plastic», «Solidarité – Jute – Ecologie» und «Perché Juta?», 1976, und Fastenopfer-Sammeltüte mit dem Slogan «wir teilen – partageons – condividiamo – nus partain», um 2000 (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich, F Oc-0002-085 und F 5028-Fx-004). […]

Mission und Kolonialismus

Missionen waren auf vielfältige Weise mit dem Kolonialismus verflochten. Einerseits waren sie auf die koloniale Infrastruktur, das Militär, die Verwaltung und das Rechtswesen angewiesen. Im Gegenzug dienten sie den Kolonialmächten als Partnerinnen in der Aufrechterhaltung politischer Fremdherrschaft, wobei ihnen als Trägerinnen der «Zivilisierungsmission» insbesondere im kulturellen, sozialen und ökonomischen Bereich grosse Bedeutung zukam. Andererseits stiessen Missionen gesellschaftliche Veränderungen an, die den Intentionen der Imperialmächte entgegenliefen und zu einem konfliktreichen Verhältnis zwischen ihnen führten.

Der britische Gouverneur Frederick Gordon Guggisberg 1926 bei der Begrüssung von Schülern einer von Basler Missionaren errichteten Schule in Kumasi in der Goldküste (Ghana). Postkarte nach einer Fotografie des Missionars Friedrich Adolf Jost (Archiv Basler Mission, Basel, BMA D-30.67.002).
Der britische Gouverneur Frederick Gordon Guggisberg 1926 bei der Begrüssung von Schülern einer von Basler Missionaren errichteten Schule in Kumasi in der Goldküste (Ghana). Postkarte nach einer Fotografie des Missionars Friedrich Adolf Jost (Archiv Basler Mission, Basel, BMA D-30.67.002). […]

Angesichts ihrer Position im kolonialen System war auch das Verhältnis der Missionen zu den Menschen in den Kolonien zutiefst ambivalent und fragil. Das paternalistische Selbstverständnis der Missionarinnen und Missionare implizierte einen Überlegenheitsanspruch, der sich in der Verbreitung von kulturell-rassistischen Vorstellungen äusserte (Rassismus). Gleichzeitig hingen sie empfindlich von der Duldung und Kooperation der regionalen Autoritäten sowie der Bevölkerung in den Missionsgebieten ab, deren Interesse an missionarischer Bildung, Landwirtschaft und Medizin erst die Errichtung von Missionsstationen ermöglichte. Das Mitwirken an der Mission versprach ihnen Zugang zu Wissen, Technologien und Waren, die sie als Strategien der Selbstermächtigung benutzen und zur Formulierung von eigenen, auch politischen Ansprüchen gegen die koloniale Fremdherrschaft einsetzen konnten.

Missionarinnen und Missionare lebten im Gegensatz zu den meisten Kolonialbeamten, Händlern und Wissenschaftlern in der Regel über einen ausgedehnten Zeitraum in den Kolonien und machten sich zu Bekehrungszwecken eng mit den jeweiligen Regionen und Menschen vertraut. Sie avancierten zu anerkannten Expertinnen und Experten für naturwissenschaftliche Beobachtungen, aussereuropäische Sprachen, Kulturen und Gesellschaftssysteme. In ihrem Umfeld wurden neue Wissensbestände erschlossen und entstanden akademische Disziplinen, wie etwa die Ethnologie. Ihre Eingebundenheit in wissenschaftliche ebenso wie in populär-koloniale Diskurse prägten Welt- und Menschenbilder weit über missionarische bürgerliche Kreise hinaus.

Frontispize und Titelblätter in Kannada und Englisch der Publikation botanischer Naturselbstdrucke des Missionars Jakob Hunziker von 1862, 32 x 41,5 cm (Archiv Basler Mission, Basel, BMA C.325.I.003-006).
Frontispize und Titelblätter in Kannada und Englisch der Publikation botanischer Naturselbstdrucke des Missionars Jakob Hunziker von 1862, 32 x 41,5 cm (Archiv Basler Mission, Basel, BMA C.325.I.003-006). […]

Aussereuropäische Missionen waren mit einer Vielzahl von christlichen Hilfswerken in Europa verbunden, die sich dem vermeintlichen Problem der Entchristlichung annahmen (im Katholizismus als Volksmissionen und im Protestantismus als Innere Mission bezeichnet). Dazu gehörten unter anderem die Armen- und Krankenfürsorge, Bibelzirkel, Sonntagschulen, Jünglingsvereine, Nähwerkstätten und Stadtmissionen. Sie fussten auf dem Einsatz von zahlreichen Freiwilligen, darunter besonders vielen Frauen und Kindern. Nicht zuletzt über diese Verknüpfungen kam es zu einem Konnex zwischen ausser- und innereuropäischen Akteuren und Ideen, was neue Debatten über soziale Ordnungen stimulierte.

In der Schweiz konnten sich Missionen im 19. und 20. Jahrhundert auf ein reges Vereinswesen und eine vielseitige Publikationstätigkeit stützen. Ihre breiten Finanzierungs- und Werbekampagnen schufen eine koloniale Alltagskultur in Form von Zeitschriften, nickenden Spendenboxen, Kalendern, Fastnachtsbräuchen, Sammelalben und Patenschaften. Missionsmuseen und Missionsausstellungen machten ein weites Publikum mit Erzählungen, Karten, Fotografien und Gegenständen aus den Kolonien vertraut. Missionarinnen und Missionare berichteten in Gottesdiensten und Messen, an Bazaren, in Sonntagsschulen, an Festen und in Filmen über ihre Erfahrungen. Sie prägten damit wesentlich den Blick der Schweizer Bevölkerung auf die koloniale Welt und auf sich selbst.

Die katholischen Missionen

In der frühen Neuzeit wirkten etwa 40-45 Schweizer Jesuiten als katholische Missionare in der aussereuropäischen Welt. Einer der ersten war Pietro Berno, der ab 1579 im indischen Goa tätig war. Kapuziner gründeten 1719 in Russland die erste Schweizer Gebietsmission, die bis 1759 bestand. Im 19. Jahrhundert entwickelten sie sich zum einflussreichsten katholischen Missionsorden der Schweiz mit eigenen Gebieten in Indien (ab 1843), Tansania (ab 1921) und auf den Seychellen (ab 1922).

Gruppenaufnahmen von Schülerinnen und Schülern mit Lehrpersonen vor Internatsschulen in Süddakota, um 1899. Links: die Farm School Band der St. Benedict Mission School in Kenel im Reservat Standing Rock (Privatarchiv Manuel Menrath, Scan einer Fotografie aus den Saint Meinrad Archabbey Archives, St. Meinrad, Indiana); rechts: die Immaculate Conception Indian School in Stephan im Reservat Crow Creek (Privatarchiv Manuel Menrath, Scan einer Fotografie aus den Sacred Heart Convent Archives, Yankton, Süddakota).
Gruppenaufnahmen von Schülerinnen und Schülern mit Lehrpersonen vor Internatsschulen in Süddakota, um 1899. Links: die Farm School Band der St. Benedict Mission School in Kenel im Reservat Standing Rock (Privatarchiv Manuel Menrath, Scan einer Fotografie aus den Saint Meinrad Archabbey Archives, St. Meinrad, Indiana); rechts: die Immaculate Conception Indian School in Stephan im Reservat Crow Creek (Privatarchiv Manuel Menrath, Scan einer Fotografie aus den Sacred Heart Convent Archives, Yankton, Süddakota). […]

Schweizer Benediktiner aus dem Kloster Einsiedeln gründeten 1854 im US-Bundesstaat Indiana das Kloster St. Meinrad, das bei der Mission unter den lokalen Bevölkerungsgruppen mitwirkte. Der amerikanische Präsident Ulysses S. Grant führte 1869 die sogenannte Friedenspolitik ein und beauftragte die christlichen Missionen, die in den Reservaten lebenden Menschen zu «zivilisieren». Der Schwyzer Benediktiner Martin Marty leitete die Mission im Sioux-Reservat Standing Rock an der Grenze zwischen Süd- und Norddakota. Unter Mithilfe von Benediktinerinnen aus der Zentralschweiz sowie deutschen Jesuiten und Franziskanerinnen errichtete er katholische Internate, in denen Sioux-Kinder zwangsassimiliert wurden. Trotz harter Strafen, körperlicher Züchtigung und missionarischer Kontrolle bis ins Erwachsenenalter gelang es der indigenen Bevölkerung, ihre kulturelle und spirituelle Eigenständigkeit weitgehend zu erhalten. Einsiedler Mönche waren zudem ab 1948 in Argentinien missionarisch tätig. Benediktiner aus Engelberg folgten den Einsiedlern 1873 in die USA; 1932 übernahmen sie auch eine Mission in Französisch-Kamerun. Ab 1933 wirkten Augustiner Chorherren vom Grossen St. Bernhard in China und ab 1934 solche von Saint-Maurice in Indien und Peru. Die Missionskongregation der Benediktiner von St. Ottilien in Bayern, die auf den Luzerner Andreas Amrhein zurückgeht, betrieb während der deutschen Kolonialherrschaft das Missionsgebiet Dar es Salaam (Tansania), das nach dem Ersten Weltkrieg von den Schweizer Kapuzinern übernommen wurde. Nachdem die Briten 1922 die Niederlassung der Missionsbenediktiner von St. Ottilien zivilrechtlich als eigene Missionsgesellschaft mit Sitz in Uznach anerkannt hatten, führten die Benediktiner die apostolische Präfektur Lindi in Britisch-Ostafrika (Tansania) unter Bischof Gallus Steiger.

Der Engelberger Benediktiner Fridolin Geiger mit einem Lehrling (Name nicht überliefert) in der Schuhmacherei und Sattlerei der Missionsstation Otélé in Kamerun. Fotografie, 1961 (Stiftsarchiv Engelberg).
Der Engelberger Benediktiner Fridolin Geiger mit einem Lehrling (Name nicht überliefert) in der Schuhmacherei und Sattlerei der Missionsstation Otélé in Kamerun. Fotografie, 1961 (Stiftsarchiv Engelberg). […]

Die Missionsgesellschaft Bethlehem, die bedeutendste katholische Mission der Schweiz im 20. Jahrhundert, entstand 1921. Ab 1924 übernahm sie eine Mission in China und 1939 ein Gebiet in Südrhodesien (Simbabwe), es folgten weitere in Japan, den USA, Taiwan und Kolumbien. In Südrhodesien wurde 1950 ein Bistum unter Schweizer Leitung errichtet, in dem über hundert Priester gemeinsam mit zahlreichen Schweizer Brüdern, Schwestern, Laienpersonen sowie Missionsärztinnen und Missionsärzten arbeiteten. Das Pressewesen in den afrikanischen Sprachen und insbesondere die Zeitung Moto entwickelten sich zu einem wichtigen Sprachrohr für politische Forderungen der indigenen Bevölkerung.

Gesamthaft beteiligten sich im 19. und 20. Jahrhundert weltweit etwa 1000 Schweizer Priester an der katholischen Mission. Viele von ihnen missionierten für ausländische Orden und Kongregationen, so etwa für die Redemptoristen, Salettiner, Salvatorianer, Spiritaner, Steyler und Mariannhiller Missionare sowie für die Weissen Väter (Missionare von Afrika), unter anderem im Rahmen von deren Ruanda-Mission. Mit Unterstützung zunächst der deutschen und ab 1916 der belgischen Kolonialverwaltung bauten sie dort das Bildungssystem auf und machten den Katholizismus zur Staatsreligion. Als der Walliser Missionar André Perraudin 1959 zum Erzbischof von Ruanda geweiht wurde, beendete er in Einklang mit der belgischen Kolonialpolitik die privilegierte Behandlung der Tutsi-Monarchie. Die katholische Kirche und deren Bildungseinrichtungen verbündeten sich unter seiner Leitung mit den sich formierenden Hutu-Nationalisten, was wesentlich zur Polarisierung zwischen den Hutu und Tutsi beitrug.

Neben den Ordensmännern standen in diesem Zeitraum ebenfalls gegen 1000 Schweizer Schwestern im Missionsdienst. 1874 reisten fünf Benediktinerinnen von Maria Rickenbach und 1882 zwei von Sarnen in die USA, um bei der Missionierung der lokalen Bevölkerung mitzuwirken. 1883 übernahmen die Schwestern von Menzingen ein Missionsmandat in Südafrika, worauf weitere Einsätze in Afrika, Asien und Südamerika folgten. 1888 zogen sechs Kapuzinerinnen des Klosters Maria Hilf in Altstätten nach Ecuador und Kolumbien sowie Benediktinerinnen aus dem Melchtal in die USA. Ab 1894 missionierten Schwestern von Ingenbohl in Indien, den USA, Litauen und der Mandschurei. Dominikanerinnen aus dem Kloster Ilanz waren ab 1920 in China, später in Brasilien und auf den Philippinen tätig. Schwestern von Baldegg begleiteten 1921 die Kapuziner nach Britisch-Ostafrika und engagierten sich später in Papua-Neuguinea und Äthiopien. Die St.-Anna-Schwestern von Luzern sandten ab 1927 Missionarinnen aus, namentlich nach Indien. Schwestern von Heiligkreuz arbeiteten ab 1931 primär in der Mandschurei, Ursulinen von Brig ab 1934 in Südafrika und ab 1953 in Indien und die Sarner Benediktinerinnen ab 1938 in Französisch-Kamerun. Schweizerinnen in ausländischen Ordensgemeinschaften waren insbesondere für die Missionsbenediktinerinnen von Tutzing, die Weissen Schwestern (Missionsschwestern unserer Lieben Frau von Afrika) und die St. Josefsschwestern von Cluny tätig. Ordensschwestern engagierten sich ferner im 1926 gegründeten Schweizerischen katholischen Verein für missionsärztliche Vorsorge (Solidarmed) und in der 1932 ins Leben gerufenen schweizerischen Abteilung der Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft (Miva).

Die zahlreichen Missionsappelle und Impulse durch die Päpste Benedikt XV. und Pius XI., der Gründungsboom von Missionsvereinen sowie die Verbreitung neuer Kommunikationsmittel und Verkehrsverbindungen verhalfen der katholischen «Weltmission» in der Zwischenkriegszeit zur Blüte. Der Schweiz kam dabei eine herausragende Rolle zu. Ausschlaggebend dafür war einerseits ihre Unversehrtheit vom Krieg und andererseits, dass sie als kolonialgeschichtlich unbelastet und politisch neutral galt. Rom sah dieses Potenzial und versuchte in der Schweiz den Grundstein für die Herausbildung einer internationalen, zentrierten katholischen Missionsbewegung zu legen. Freiburg avancierte daraufhin zum neuen intellektuellen Zentrum der katholischen Schweiz und zum internationalen, missionswissenschaftlichen Forschungsplatz. Die zum «zweiten Rom» erklärte Stadt an der Saane, wo 1921 der weltweit erste akademische katholische Missionskongress tagte, beheimatete Mitte des 20. Jahrhunderts 25 Missionsgesellschaften. Der Kongress führte zur Gründung des Akademischen Missionsbunds und zur Aktivierung des schweizerischen Missionswesens. Während des Zweiten Weltkriegs nahmen Schweizer Missionen eine zentrale Rolle ein: Das kleine Land stellte in den ersten vier Kriegsjahren einen Drittel aller katholischen Missionare, die aus Europa nach Afrika entsandt wurden.

Die evangelischen Missionen

Die evangelische Missionsbewegung entstand im späten 18. Jahrhundert aus dem Pietismus und den Erweckungsbewegungen. Bis dahin hatten die Schweizer Reformationskirchen kaum Interesse an missionarischen Tätigkeiten in der aussereuropäischen Welt gezeigt. Eine Ausnahme bildete die Herrnhuter Brüdergemeine, unter deren Leitung bereits um 1750 die ersten Schweizer auf den Antillen, in der niederländischen Kolonie Berbice (Guyana) und in Suriname ihren Missionsdienst antraten.

«Strassenpredigt vor einem Häuptling» des Missionars Fritz Ramseyer. Fotografie zwischen 1888 und 1895 (Archiv Basler Mission, Basel, BMA D-30-15.004).
«Strassenpredigt vor einem Häuptling» des Missionars Fritz Ramseyer. Fotografie zwischen 1888 und 1895 (Archiv Basler Mission, Basel, BMA D-30-15.004). […]

1815 entstand die Basler Mission aus dem Zusammenwirken der pietistisch ausgerichteten Deutschen Christentumsgesellschaft und wohlhabenden, einflussreichen Familien aus dem Basler Patriziat. Die ersten Männer, die ihre Ausbildung in Basel abschlossen, arbeiteten für britische und niederländische Missionsgesellschaften, hauptsächlich für die Church Missionary Society. Die Basler Mission etablierte bald eigene Missionsstationen: ab 1828 an der Goldküste (Ghana), ab 1834 in Südwestindien, ab 1847 in Südchina, ab 1885 in Kamerun, ab 1900 in Sabah (Malaysia) und ab den 1920er Jahren in Indonesien. Sie führte ab 1859 als einzige Schweizer Mission eine eigene Handelsgesellschaft (Basler Handelsgesellschaft), die bis 1917 unter der direkten Leitung der Missionsdirektion blieb. Sie war auch die erste evangelische Missionsgesellschaft im deutschsprachigen Raum, die ab 1885 eine nachhaltige ärztliche Mission mit akademisch ausgebildeten Ärzten betrieb.

In Basel entstand 1840 ferner die Pilgermission St. Chrischona (Chrischona-Gemeinden), die ab 1846 in Palästina und ab 1856 in Äthiopien tätig war. 1897 gründete Héli Chatelain die Philafrikanische Mission in Portugiesisch-Westafrika (Angola), die sich dem Kampf gegen die innerafrikanische Sklaverei verschrieb. Zahlreiche evangelische Missionen waren mit der Abolitionsbewegung verflochten und verstanden ihre Evangelisierungsbestrebungen in Afrika als Wiedergutmachung für die Verheerungen des transatlantischen Sklavenhandels. Trotz dieser klaren Haltung seitens der Missionsleitungen in Europa führte die Frage der Sklaverei in den afrikanischen Kolonien bis ins frühe 20. Jahrhundert zu erbitterten Auseinandersetzungen. Ein Teil der Missionare befürchtete durch ein totales Sklavereiverbot einen Rückgang der Christengemeinden sowie soziale Unruhen.

In der Waadt, in Genf und in Neuenburg formierten sich ab den 1820er Jahren pietistisch geprägte Missionsgesellschaften, die sich vorerst nicht in der Staatskirche entfalten konnten. Sie unterhielten enge Verbindungen zur 1822 gegründeten Société des missions évangéliques de Paris (SMEP). Die ersten Westschweizer Missionare engagierten sich ab den 1820er Jahren für die SMEP in Afrika. In den 1830er Jahren entsandte das Missionsinstitut in Lausanne eine Handvoll Missionare zu den Sioux in Nordamerika, ehe die Missionarsausbildung 1839 eingestellt wurde. Nach einem ersten Missionseinsatz im südlichen Afrika ab 1871 rief die Synode der Freikirche der Waadt 1874 in Yverdon die Mission vaudoise ins Leben. Diese dehnte ihr Missionsgebiet von Lesotho nach Portugiesisch-Ostafrika (Mosambik) aus und bekam Unterstützung durch die evangelischen Freikirchen von Genf und Neuenburg.

Ab 1883 nannte sich die von den drei Freikirchen getragene Gesellschaft Mission romande, später Schweizer Mission in Südafrika (SMSA). Diese etablierte sich im späten 19. Jahrhundert in den nördlichen Regionen des Landes, wo sie nicht nur Kirchen, sondern auch Schulen und Krankenhäuser errichtete. Nach und nach baute sie eine einheimische Kirche auf, die 1962 als Tsonga Presbyterian Church ihre Unabhängigkeit errang. 1963 wurde die SMSA Teil des Département missionnaire des Eglises protestantes de la Suisse romande, einer neuen und erweiterten protestantischen Missionsgesellschaft. In Südafrika nahm die SMSA lange Jahre eine ambivalente Haltung gegenüber der Apartheid ein, trotz des steigenden globalen Drucks auf das Unrechtsregime. Sie zeigte sich gespalten und blieb öffentlich stumm, auch als die Anti-Apartheid-Bewegung in den Fokus der Schweizer Kirchen geriet.

Die evangelische Missionsbewegung hing entscheidend vom finanziellen, organisatorischen und moralischen Engagement zahlreicher Frauen unterschiedlicher sozialer Herkunft ab. Im Gegensatz zu den katholischen Missionsschwestern beschränkte sich ihr Einsatz aber bis weit ins 19. Jahrhundert auf die Herkunftsregionen der Missionen, wo sie an den Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen der Inneren Mission mitwirkten und Spenden für die Äussere Mission generierten. Die ersten evangelischen Frauen in aussereuropäischen Missionsgebieten reisten meist als Ehefrauen von Missionaren aus, da die christliche Ehe und Familie im Zentrum des evangelischen Missionsprojekts standen. In den Kolonien übernahmen sie weitreichende Aufgaben, die ihnen innerhalb der patriarchalen Gesellschaftsordnung neue Handlungsspielräume eröffneten und die sie teilweise für eigene Emanzipationsprojekte nutzen konnten.

Quellen und Literatur

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  • Gründer, Horst; Jenkins, Paul; Nijkam, Mary J.: Mission und Kolonialismus. Die Basler Mission und die Landfrage in Deutsch-Kamerun, 1986.
  • Prodolliet, Simone: Wider die Schamlosigkeit und das Elend der heidnischen Weiber. Die Basler Frauenmission und der Export des europäischen Frauenideals in die Kolonien, 1987.
  • Altermatt, Urs; Widmer, Joseph: Das schweizerische Missionswesen im Wandel. Strukturelle und mentalitätsmässige Veränderungen im schweizerischen Missionswesen 1955-1962, 1988.
  • Haller-Dirr, Marita: «Das Unternehmen Mission sucht Investoren», in: Helvetia Franciscana, 28, 1999, S. 133-164; 29, 2000, S. 51-93, 169-213.
  • Konrad, Dagmar: Missionsbräute. Pietistinnen des 19. Jahrhunderts in der Basler Mission, 2001.
  • Miller, Jon: Missionary Zeal and Institutional Control. Organizational Contradictions in the Basel Mission on the Gold Coast, 1828-1917, 2003.
  • Harries, Patrick: Butterflies & Barbarians. Swiss Missionaries & Systems of Knowledge in South-East Africa, 2007.
  • Quartey, Seth: Missionary Practices on the Gold Coast, 1832-1895. Discourse, Gaze and Gender in the Basel Mission in Pre-Colonial West Africa, 2007.
  • Beck, Valentin: «Das Kreuz des Südens – Der Aufschwung der katholischen Mission zwischen 1850 und 1950 am Beispiel der Menzinger Schwestern vom Heiligen Kreuz in Basutoland», in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, 104, 2010, S. 365-395.
  • Jeannerat, Caroline; Morier-Genoud, Eric; Péclard, Didier: Embroiled. Swiss Churches, South Africa and Apartheid, 2011.
  • Habermas, Rebekka; Hölzl, Richard (Hg.): Mission global. Eine Verflechtungsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert, 2014.
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  • Menrath, Manuel: Mission Sitting Bull. Die Geschichte der katholischen Sioux, 2016.
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  • Ratschiller, Linda; Wetjen, Karolin (Hg.): Verflochtene Mission. Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte, 2018.
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Weblinks

Zitiervorschlag

Marita Haller-Dirr; Linda Ratschiller ; Linda Ratschiller: "Missionen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.03.2024. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011456/2024-03-26/, konsultiert am 13.04.2024.