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KreuzlingenStift

Das alte Stift am See vor der Zerstörung 1633, von Norden. Kupferstich von Johann Sadeler, um 1633 (Staatsarchiv Thurgau, Frauenfeld).
Das alte Stift am See vor der Zerstörung 1633, von Norden. Kupferstich von Johann Sadeler, um 1633 (Staatsarchiv Thurgau, Frauenfeld). […]

Ehemaliges Augustiner Chorherrenstift in der politischen Gemeinde Kreuzlingen TG. Bis 1814 Diözese Konstanz, ab 1829 Basel. Gegründet 1125 durch Bischof Ulrich (I.) von Konstanz ausserhalb des Fronhofs (später Vorstadt) Stadelhofen, etwa 150 m südlich des heutigen Hauptzolls. Patrozinium: Ulrich (von Augsburg) und Afra. Bischof Ulrich entstammte derselben Familie wie Ulrich von Augsburg.

In Verbindung mit der Heiligsprechung Bischof Konrads (I.) von Konstanz 1123 war die Erneuerung des von diesem in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in Konstanz gegründeten Hospizes Crucelin beschlossen worden. Kaiser Heinrich V. gab 1125 die Erlaubnis zur Wiederherstellung. Bischof Ulrich verlegte das Hospiz aus der Stadt zur von ihm gegründeten Kirche St. Ulrich und Afra. Papst Honorius II. bestätigte noch im gleichen Jahr dem Stift und Hospiz die Augustiner Regel und erlaubte die freie Wahl des Vorstehers. Der erste Propst, Heinrich, wurde 1146 Abt. Das Hospiz, das zur selben Zeit aus den Adressen der Urkunden verschwand, dürfte bald aufgegeben worden sein. Zwischen 1146 und 1151 übernahm das Stift die Consuetudines des oberelsässischen Stifts Marbach. Während des Konzils von Konstanz beherbergte das Stift am 27.-28. Oktober 1414 Papst Johannes XXIII., der Abt Erhard Lind und seinen Nachfolgern das Recht des Gebrauchs der Pontifikalien verlieh. 1499 wurde das Stift im Schwabenkrieg zerstört, danach am selben Ort wieder aufgebaut. Zur Zeit der Reformation hielten die Chorherren am alten Glauben fest. Für die Rechte des Klosters setzte sich besonders der damalige Dekan und spätere Abt Georg Tschudi (1545-1566) ein. Im Dreissigjährigen Krieg wurde das Stift erneut zerstört und auf Begehren der Stadt Konstanz landeinwärts am heutigen Ort neu erstellt. Abt Jakob Denkinger (1625-1660) liess 1650-1653 die Kirche nach dem Plan von Michael Beer (erster nachgewiesener sogenannter Vorarlberger Bau) erbauen, Abt Augustin Gimmi (1660-1696) ab 1666 das Kloster und 1672 die Liebfrauenkapelle. Danach erlebte Kreuzlingen eine Blütezeit. Die Zahl der Chorherren stieg zeitweise auf über dreissig. Mit nur wenigen Ausnahmen kamen sie aus Gebieten nördlich des Bodensees. Abt Johann Baptist Dannegger (1725-1760) erneuerte das klösterliche Leben. Abt Prosper Donderer (1760-1779) gestaltete Kirche und Kloster im Rokokostil um.

Einen schweren Einbruch brachte die Helvetische Revolution 1798. Bis 1815 unterblieb die Aufnahme neuer Chorherren. Der Verlust der zahlreichen Güter im In- und Ausland sowie die Massnahmen der helvetischen Behörden brachten Kreuzlingen an den Rand des Untergangs. Das Stift suchte unter Abt Jakob Ruef (1802-1831) neue Aufgaben: Lehrerseminar und Ackerbauschule gingen bald wieder ein, Bestand hatte dagegen die erweiterte kleine Stiftsschule (Progymnasium). 1836 verbot der Kanton Thurgau die Novizenaufnahme. 1848 hob er das Stift unter Abt Augustin Fuchs (ab 1831) auf. Der Bibliotheksflügel und die Liebfrauenkapelle mit der Totengruft wurden abgebrochen. Die Klostergebäude beherbergten fortan das thurgauische Lehrerseminar.

Zum Stift gehörte die Klosterpfarrei mit den Dörfern Egelshofen und Kurzrickenbach sowie die Konstanzer Vorstadt Stadelhofen (bis 1813). Inkorporiert wurden im 12. Jahrhundert die Pfarreien Horgenzell bei Ravensburg, Hirschlatt bei Buchhorn (heute Friedrichshafen), Aawangen (bis 1529) und Wurmlingen bei Rottenburg am Neckar mit Hirschau (1461 Pfarrei). Im 13. Jahrhundert folgte Rankweil mit Koblach (1675 Pfarrei), 1554 Güttingen, 1689 Wilhelmskirch bei Ravensburg. 1638 wurde die Propstei Riedern im Schwarzwald dem Stift inkorporiert; der Abt von Kreuzlingen nannte sich fortan auch Propst von Riedern. Zur Verwaltung der Güter dienten Kreuzlingen auswärtige Pflegehöfe in Rottenburg, Hirschlatt und Buchhorn.

Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurde Kreuzlingen unter päpstlichen und kaiserlichen Schutz gestellt. 1422 und 1521 ist das Stift in den Matrikeln als reichsunmittelbar aufgeführt; der Abt nahm 1542 letztmals an einem Reichstag teil. Bis zum Ende des alten Reichs (1806) galt er als «Prälat des Heiligen Römischen Reiches» und wurde auch in der Matrikel weitergeführt. Nach 1503 stand Kreuzlingen mit Luzern und Zug im Burgrecht. Es konnte die kleine Herrschaft Hirschlatt bilden, deren Vogtei von den Welfen über die Staufer an das Reich und als Reichslehen an die Grafen von Montfort-Tettnang ging. 1659 kaufte das Stift die Vogteirechte. 1749 erhielt es die hohe Gerichtsbarkeit als österreichisches Lehen. Hirschlatt war in Kriegszeiten Zufluchtsort des Konvents. Niedergerichtsbezirk des Stifts waren das Klostergebiet mit Hörnli (Seeburg und Schifflände) und Gaissberg, Aawangen, Trüllikon und (teilweise) Sulgen.

Quellen und Literatur

  • A. Hopp, «Das Hospiz des hl. Konrad und die Gründung des Chorherrenstiftes St. Ulrich und Afra zu Konstanz/Kreuzlingen», in SVGB 107, 1989, 97-105
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Anton Hopp: "Kreuzlingen (Stift)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.09.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011409/2017-09-19/, konsultiert am 29.03.2024.