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SchänisStift

Romanisches Relief aus der Stiftskirche St. Sebastian in Schänis, nach 1150 (Kantonale Denkmalpflege St. Gallen; Fotografie Ralph Feiner).
Romanisches Relief aus der Stiftskirche St. Sebastian in Schänis, nach 1150 (Kantonale Denkmalpflege St. Gallen; Fotografie Ralph Feiner). […]

Ehemaliges adliges Damenstift, in der Gemeinde Schänis SG gelegen. Mitte 9. Jahrhundert monasterium Skenninis, 1240 Scandensis ecclesia, 1264 gotzhus Schennis. Das Stift wurde zwischen 806/807 und 823, wohl nach 814, durch Graf Hunfrid von Rätien zu Ehren der sich in seinem Besitz befindenden Christusreliquien vom Heiligen Kreuz und vom Heiligen Blut gegründet. Auf die Hunfridinger folgten als Eigenkirchenherren die Lenzburger, die Kyburger und die Habsburger. Ein bedeutender Förderer von Schänis war Graf Ulrich I. von Lenzburg. Da in den beiden Verbrüderungsbüchern von St. Gallen und der Reichenau aus dem 9. Jahrhundert die Namenslisten der Konvente von St. Stephan in Strassburg und Schänis einander unmittelbar folgen, liegt der Schluss nahe, Schänis sei eine Tochtergründung des Strassburger Damenstifts. Regelmässige Beziehungen pflegte Schänis zum Kloster Säckingen. König Heinrich III. stellte die Abtei 1045 unter seinen Schutz und gewährte ihr das Recht auf freie Wahl der Äbtissin. Spätestens unter den Lenzburgern im 11. Jahrhundert wurde der Märtyrer Sebastian Patron des Klosters. Das Stift hatte im Mittelalter Rechte über zahlreiche Kirchen in der Region, insbesondere über die Kirche und Grosspfarrei Schänis selbst.

Das Kloster hatte seinen Hauptbesitz im Gasterland, daneben aber auch Güter und Rechte im Zürichbiet und im Aargau (Knonau, Reitnau, Niederwil, Mellingen, Wohlen, Wettingen). Es verfügte ausserdem über einen reichen Viehbestand und mehrere Alpen, vor allem im Weisstannental. Für die aargauischen und die zürcherischen Besitzungen war ein ständiger Ammann in Zürich zuständig. 1405 ging Schänis ein Burgrecht mit Zürich ein.

1438-1798 lag das Stift Schänis im Gebiet der schwyzerisch-glarnerischen gemeinen Herrschaft Gaster, die von einem nicht residierenden Landvogt und einem Untervogt in Schänis verwaltet wurde. 1529 kam es zum Bildersturm durch die zur Reformation übergetretene Landbevölkerung; vor allem Schwyz setzte ab 1531 die Rekatholisierung durch. Verheerende Brände verwüsteten 1585 und 1610 die Stiftsgebäude; der zweiten Katastrophe fiel auch das Archiv mit den Schirmbriefen, Privilegien und Statuten zum Opfer. Ab dem Spätmittelalter war Schänis ein weltliches Kanonissenstift unter einer Äbtissin, der einzigen geistlichen Person im Kloster. Das Stift gehörte zum Bistum Chur. Mindestens dreissig Jahre alt, legte die Äbtissin die Gelübde vor dem Bischof ab, der sie mit Abtsstab und Ring ausstattete. Die adligen Chorfrauen, in neuerer Zeit in der Regel sechs an der Zahl, immer wieder auch mehr, stammten meist aus dem südschwäbischen und elsässischen Ritteradel, kaum aus der katholischen Schweiz, was das Stift dem Land entfremdete. Ein Platz im Stift konnte nur mit einer Aussteuer und einem Leibgeding in beträchtlicher Höhe erworben werden. Die Äbtissin führte den Titel einer Reichsfürstin, das Stift war indes im Reichstag nicht vertreten. Es war weder Landes- noch Gerichts-, wohl aber Grund- und Leibherr.

In den Wirren der Französischen Revolution kämpften bei Schänis 1798 österreichische und französische Truppen gegeneinander, die Existenz des Stifts war gefährdet. In dieser Lage setzte sich einer der späteren Gründer des Kantons St. Gallen, Karl Müller-Friedberg, erfolgreich für das Stift ein, so dass dieses die Zeit der Helvetik überstand. Er liess indes das in seinen Augen nicht mehr lebensfähige Stift 1811 aufheben. Der Bischof von Chur akzeptierte die Aufhebung als unvermeidlich. Die Stiftsdamen erhielten jährliche Pensionen auf Lebenszeit. Ab 1869 boten die Stiftsgebäude den aus dem Thurgau vertriebenen Schwestern von St. Katharinental Zuflucht. Seit den 1920er Jahren ist das Schäniser Kreuzstift ein Alters- und Pflegeheim, das heute von Steyler Missionsschwestern geführt wird.

Von der karolingischen Kirche zeugen zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur mehr Spolien, von der romanischen Basilika aus dem frühen 12. Jahrhundert zudem noch einige Mauerabschnitte und Arkadenpfeiler. 1486-1487 wurde der Turm, 1506-1507 der gotische Chor errichtet. Die Kirche wurde 1778-1781 barock umgestaltet sowie 1910-1912 erheblich vergrössert. Der Turm der ehemaligen Kapelle St. Gallus ist der einzige in der Schweiz erhaltene runde Kirchturm aus romanischer Zeit.

Quellen und Literatur

  • StiA St. Gallen
  • Kdm SG 5, 1970, 158-257
  • HS IV/2, 435-458

Zitiervorschlag

Lorenz Hollenstein: "Schänis (Stift)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.07.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011161/2011-07-08/, konsultiert am 29.03.2024.