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SebastianCastellio

Titelseite einer Bibeledition von 1697, mit einem Porträt von Sebastian Castellio (Universitätsbibliothek Basel).
Titelseite einer Bibeledition von 1697, mit einem Porträt von Sebastian Castellio (Universitätsbibliothek Basel).

1515 Saint-Martin-du-Fresne (Savoyen), 29.12.1563 Basel. Sohn eines Bauern. Nach humanistischen Studien in Lyon und dem Übertritt zur Reformation begab sich Sebastian Castellio 1540 als Mitarbeiter Johannes Calvins nach Strassburg. 1541 wurde er zum Rektor des Collège de Rive in Genf ernannt («Dialogi sacri» 1542). Nach dem Zerwürfnis mit Calvin liess sich Castellio 1545 in Basel nieder, wo er als Korrektor beim Drucker Johannes Oporinus tätig war. Um 1553 wurde er zum Professor für Griechisch an die Universität berufen. Ein halbes Jahr nach der Hinrichtung Michel Servets in Genf (1553) gab Castellio das Werk «De haereticis an sint persequendi» heraus, eine Sammlung älterer und zeitgenössischer Aussagen gegen die Ketzertötung (u.a. von Martin Luther, Johannes Brenz, Erasmus, Sebastian Franck, Augustin, Laktanz, Johannes Chrysostomus). Wichtigster Eigenbeitrag Castellios war die Einleitung unter dem Pseudonym Martinus Bellius. Damit wurde die Toleranzdebatte mit Calvin und Theodor Beza eröffnet, in deren Verlauf Castellio noch weitere Streitschriften zugunsten der (stets biblisch begründeten) Toleranz verfasste. Daneben gab er zwei vollständige Bibelübersetzungen (lateinisch 1551, französisch 1555), die Werke mehrerer griechischer Autoren (Xenophon, Herodot, Diodor, Homer, Thukydides) sowie die spätmittelalterlichen Erbauungsschriften «Theologia Deutsch» und «Imitatio Christi» heraus. Die Auseinandersetzungen mit den Genfer Theologen brachten ihn mit der Zeit auch in Basel in Schwierigkeiten (u.a. wegen seiner Kritik an der calvinistischen Prädestinationslehre). Einer möglichen und offensichtlich erwogenen Übersiedlung nach Polen kam der Tod zuvor. Castellios letztes Werk, «De arte dubitandi» (erste vollständige Ausgabe 1981), schlägt eine ideengeschichtliche Brücke zu den Anfängen rationalistischen Denkens. Das historische Hauptverdienst des Humanisten Castellio ist seine Verteidigung von Toleranz und Religionsfreiheit sowie seine Ablehnung der Tötung von Menschen aus religiösen Gründen. In den Niederlanden, in England, bei den deutschen Lutheranern gemässigter und frühpietistischer Richtung sowie in Polen bei den Sozinianern wirkten seine Ideen noch lange nach.

Quellen und Literatur

  • H.R. Guggisberg, Sebastian Castellio 1515-1563, 1997
Von der Redaktion ergänzt
  • Mahlmann-Bauer, Barbara (Hg.): Sebastian Castellio (1515-1563). Dissidenz und Toleranz. Beiträge zu einer internationalen Tagung auf dem Monte Verità in Ascona 2015, 2018.
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Zitiervorschlag

Hans R. Guggisberg: "Castellio, Sebastian", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.09.2003. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011072/2003-09-01/, konsultiert am 28.03.2024.