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WädenswilGemeinde

Ansicht aus der Vogelschau von Osten. Aquarellierte Federzeichnung von Johannes Isler, um 1768 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Ansicht aus der Vogelschau von Osten. Aquarellierte Federzeichnung von Johannes Isler, um 1768 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Horgen. Die Stadt, ein Hochschulstandort mit immer noch 70 Landwirtschaftsbetrieben am linken Zürichseeufer, besteht aus den alten Gemeindeteilen Dorf und Berg mit Streusiedlungen sowie der nach 1960 stark überbauten Halbinsel Au und umfasst seit 2019 auch Hütten und Schönenberg. 1130 Wadinswilere. 1634 1480 Einwohner (davon 829 im Teil Dorf); 1836 5094; 1850 5841; 1900 7585; 1950 10'155; 2000 19'464; 2010 20'433; 2019 24'601.

Wädenswil: Situationskarte 2019 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.
Wädenswil: Situationskarte 2019 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.

Siedlungsreste aus der Jungstein- und der Bronzezeit wurden bei der Vorderen und Hinteren Au, römische Funde auf dem Kirchhügel und Alemannengräber im Oberdorf entdeckt. Im Hochmittelalter bildete Wädenswil zusammen mit Richterswil und den Höfen zu Hütten, Geissferen (ab 1703 Schönenberg) und Uetikon das Herrschaftsgebiet der Freiherren von Wädenswil, die ihre Rechte – unter anderem die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit – bis 1287 ausübten. Wichtige andere Grundbesitzer waren die Klöster Kappel, Frauenthal, Wettingen und die Fraumünsterabtei sowie die Herren von Hünenberg. 1287-1549 bestand in Wädenswil eine Johanniterkommende. Die Gerichtsbarkeit über die im Herrschaftsgebiet niedergelassenen Gotteshausleute des Fraumünsters und des Klosters Einsiedeln stand als Lehen den Herren von Hünenberg zu und kam 1408 an die Kommende. 1342 schloss diese mit Zürich ein Burgrecht ab, das der Stadt 1351 das Mannschaftsrecht und 1402 das Steuerrecht einbrachte. Während des Alten Zürichkriegs (1436-1450) erklärte sich die im Grenzbereich zwischen den Kriegsgegnern Zürich und Schwyz gelegene Kommende für neutral. 1467-1468 verweigerten die Herrschaftsleute Zürich die Steuern (Wädenswilerhandel). Ein Schiedsgericht in Bern urteilte zugunsten von Zürich, das seine Stellung gegenüber dem auch finanziell geschwächten Orden stärken und ab 1484 einen weltlichen Schaffner einsetzen konnte. 1500-1550 bekleideten Angehörige der Ammannsfamilie Wirz von Uerikon dieses Amt. In den 1520er Jahren kam die religiöse, rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Johanniterordens in Wädenswil unter dem Einfluss der Reformation, die hier 1529 durchgeführt wurde, ins Wanken. 1549 verkaufte der Orden die Herrschaft Wädenswil mit allen Rechten an die Stadt Zürich. Schwyz und Glarus fühlten sich durch die Burg Wädenswil bedroht und erhoben auf der Tagsatzung Einspruch gegen die Handänderung. Der Konflikt wurde 1550 beigelegt; Zürich durfte die Herrschaft Wädenswil als Landvogtei seinem Stadtstaat eingliedern, musste aber die Burg abbrechen (1557). Als Sitz für die bis 1798 in Wädenswil residierenden Landvögte wurde südlich des Dorfs ein Schloss gebaut, das im Bockenkrieg 1804 einem Brandanschlag zum Opfer fiel und 1816-1818 durch einen Bau von Hans Konrad Stadler ersetzt wurde. 1646 verweigerten die Herrschaftsleute in Wädenswil und Richterswil der Zürcher Obrigkeit die Steuern. Nach dem Scheitern von Verhandlungen zogen daraufhin 5000 Mann unter dem Kommando von General Conrad Werdmüller am 1. Oktober zu Land und auf dem See gegen Wädenswil und besetzten Ort, Schloss und Herrschaft. Vier Rädelsführer des Steueraufstands wurden hingerichtet; die entwaffneten Untertanen mussten Gehorsam schwören. Der Landtag, der das Blutgericht der Herrschaft ausgeübt hatte, wurde aufgehoben, der Galgen westlich des Dorfs abgebrochen.

Das Patronat der 1270 erstmals erwähnten, aber sicher älteren Marienkirche stand den Freiherren von Wädenswil zu, kam vor 1287 ans Kloster Wettingen und von diesem 1291 an die Johanniter. Mit dem Kauf der Herrschaft Wädenswil ging die Kollatur 1549 an Zürich über. Der 1638 erweiterte Bau hatte einer barocken Querkirche zu weichen, die 1764-1767 von Hans Ulrich Grubenmann geplant und mit Stuckaturen von Peter Anton Moosbrugger ausgestattet wurde. Die letzte Aussenrestaurierung erfolgte 1983-1984, die letzte Innenrenovation 1998-1999. Die Katholiken verfügen seit 1897 über die von August Hardegger entworfene neuromanische Kirche, seit 1956 über die Annakapelle im Gemeindeteil Berg sowie seit 2003 über die Bruder-Klaus-Kapelle in der Au. Zur Kirchgemeinde Wädenswil zählten bis 1620 auch der Weiler Spitzen, der dann der neu gebildeten Kirchgemeinde Hirzel zugeteilt wurde, sowie Schönenberg.

Das Dorf gehörte bis 1798 zur Landvogtei Wädenswil. Das um 1500 gebaute Richt- und Gesellenhaus bei der Kirche wurde 1821 abgebrochen. Die neu gebildete Einwohnergemeinde war während der Helvetik und der Mediationszeit Teil des Distrikts bzw. Bezirks Horgen. Nachdem Schönenberg sich schon in der Helvetik von Wädenswil-Berg getrennt hatte, wurde 1813 auch die Güterausscheidung zwischen den beiden damaligen Gemeinden abgeschlossen. Die Kantonsverfassung von 1814 schuf das Oberamt Wädenswil, dessen Umfang demjenigen des heutigen Bezirks Horgen entsprach. Sitz des Oberamtmanns war bis 1830 das Schloss Wädenswil. 1831 löste Horgen Wädenswil als Bezirkshauptort ab. 1925 wurden die selbstständigen Schulsektionen Langrüti, Stocken und Ort mit der Primarschulgemeinde Wädenswil vereinigt, die ihrerseits 1944 in der politischen Gemeinde aufging. Aus der 1836 errichteten Sekundarschulgemeinde Wädenswil-Schönenberg entstand 1960 die Oberstufenschulgemeinde Wädenswil mit Schönenberg und Hütten.

Neben die Land- und Viehwirtschaft mit Käseproduktion und das vom Spätmittelalter an bedeutende Gewerbe trat ab dem 17. Jahrhundert die auf Heimarbeit für das Verlagswesen basierende Baumwoll- und Seidenindustrie. Ein reges geistiges Leben entwickelte sich, das in der 1790 gegründeten, heute noch bestehenden Lesegesellschaft seinen Mittelpunkt fand. Im 19. Jahrhundert wandelte sich das Bauerndorf zur Industriegemeinde mit drei Tuchfabriken, drei Hutfabriken, einer Gerberei, einer Brauerei sowie der Metallwarenfabrik Blattmann (1838 gegründet). Drei weitere aus dieser Zeit stammende Unternehmen, die Seidenweberei Gessner (1841), die Stärkefabrik Blattmann (1856) und die Bürstenfabrik Erzinger (1863), existierten noch Anfang des 21. Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden beim Bahnhof Au, in der Hinteren Rüti, im Appital und im Moosacher neue Industriezonen. 1816 wurde die Sparkasse Wädenswil, 1863 die Bank Wädenswil gegründet. Der Bau der linksufrigen Seebahn (1875) sowie der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn (1877, ab 1891 Südostbahn) und die Neugestaltung des Bahnhofareals 1930-1934 mit der Anlage eines neuen Bootshafens veränderten das Gebiet am See entscheidend. Auf privater oder genossenschaftlicher Basis wurde 1849 die Strassenbeleuchtung, 1874 das Gaswerk (aufgehoben 1926) und 1878 die Quellwasserversorgung geschaffen. Mit dem Bau des Armenhauses 1818, des Waisenhauses 1848 (geschlossen 1982), des Kinderheims Bühl für geistig Behinderte 1870, des Krankenasyls 1886, der Kinderkrippe 1898 und des Bürgerheims 1912 übernahm die Gemeinde auch auf sozialem Gebiet verschiedene Aufgaben. 1928 entstand das Altersheim Fuhr (heute Wohnzentrum), 1971, 1988 und 2012 in mehreren Schritten das Alterszentrum Frohmatt, 1969 die Alterssiedlung Bin Rääbe und 1974 die Alterssiedlung Am Tobelrai. Die 1890 im Schloss eröffnete interkantonale Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau ging 1902 an den Bund über (Teil der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil). 1895 erfolgte die Gründung der Obst- und Weinbaugenossenschaft und 1942 diejenige der Schule für Obstverwertung, aus der sich die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften entwickelte. In Wädenswil gibt es rund 200 Vereine, unter anderem die seit 1945 bestehende Laienspielgruppe Freunde des Volkstheaters Wädenswil (heute Volkstheater Wädenswil). Wichtige Anlässe sind die Chilbi am Sonntag nach dem St.-Bernhards-Tag, dem 20. August, und die Viehschau am dritten Donnerstag im Oktober. Die Lokalzeitung, der 1841 gegründete  Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee, erscheint seit 1997 unter dem Titel Zürichsee-Zeitung Bezirk Horgen. Die geschützte Halbinsel Au gehört zum grössten Teil dem Kanton Zürich und dem 1911 gegründeten Au-Konsortium. Seit 1974 ist Wädenswil eine Stadt und verfügt über ein Gemeindeparlament. Dank günstiger Verkehrslage (Schweizerische Bundesbahnen, Schweizerische Südostbahn, Zürichsee-Schifffahrt, Postautokurse nach Schönenberg und Hütten, Ortsautobus seit 1953, A3) entwickelte sich Wädenswil in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Einkaufszentrum der Region.

Quellen und Literatur

  • P. Ziegler, Wädenswil, 2 Bde., 1971-1982
  • Geschichte des Kantons Zürich 2, 1996, 316-317
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND
Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
1130: Wadinswilere

Zitiervorschlag

Peter Ziegler: "Wädenswil (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.10.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000105/2020-10-05/, konsultiert am 17.04.2024.