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Johann KasparLavater

Johann Kaspar Lavater an seinem Arbeitstisch, 1798. Gouache von Antonio Orazio Moretto (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich).
Johann Kaspar Lavater an seinem Arbeitstisch, 1798. Gouache von Antonio Orazio Moretto (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich). […]

15.11.1741 Zürich, 2.1.1801 Zürich, reformiert, von Zürich. Sohn des Johann Heinrich, Arztes, Zünfters zur Saffran, Zwölfers, Stiftpflegers, und der Regula Escher vom Glas. Bruder des Diethelm (->). 1766 Anna Schinz, Tochter des Hans Kaspar, Obervogts zu Weinfelden. Johann Kaspar Lavater besuchte in Zürich erst die deutsche, 1747-1754 die lateinische Schule, 1754-1756 das Collegium humanitatis; anschliessend studierte er Philosophie, Philologie und Theologie am Collegium Carolinum, insbesondere bei Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger. Im Frühjahr 1762 wurde Lavater ordiniert und in die Reihe der Exspektanten aufgenommen; im gleichen Jahr erfolgte die Aufnahme in die Zunft zur Saffran und die Naturforschende Gesellschaft in Zürich, später auch in die Helvetische Gesellschaft. Er gehörte zu den Mitgründern der Moralischen und der Asketischen Gesellschaft. 1769 wurde Lavater Diakon und 1775 erster Pfarrer an der Waisenhauskirche, 1778 Diakon und 1786 Pfarrer an St. Peter in Zürich. Nachdem Lavater und Johann Heinrich Füssli die Machenschaften des Landvogts Felix Grebel aufgedeckt hatten, mussten sie Zürich verlassen. Sie begaben sich im März 1763 mit Felix Hess nach Berlin. Begleitet von Johann Georg Sulzer besuchten sie namhafte Dichter und Gelehrte, so Moses Mendelssohn in Berlin und Johann Joachim Spalding in Barth (Pommern), bei dem sie sich weiterbildeten. Mit Spalding lasen sie zwei anonym erschienene Genfer Publikationen, die ausschlaggebend wurden für Lavaters philosophisches System: Etienne Thurneysens "Sendschreiben über die Fatalität" (deutsch Leipzig 1752) und den teils Thurneysen, teils Charles Bonnet zugeschriebenen "Essai de Psychologie" (Leiden 1754).

Im Januar 1764 kehrte Lavater in die Schweiz zurück und verfasste erste schriftstellerische Arbeiten, die lange seine einzige Einnahmequelle blieben. "Der Erinnerer" (1764-1767), die "Schweizerlieder" (1767), die "Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh. Georg Zimmermann" (4 Bände, 1768-1778), das "Geheime Tagebuch eines Beobachters seiner Selbst" (1771), die "Unveränderten Fragmente aus dem Tagebuch eines Beobachters seiner Selbst" (1773) und die vierbändigen Auflagen der "Physiognomischen Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und der Menschenliebe" (1775-1778, französisch 1781-1803) machten Lavater als Verfasser politischer, patriotischer, psychologischer, anthropologischer und metaphysischer Schriften bekannt. Seit der Lektüre von Thurneysen und des frühen Immanuel Kant untersuchte er übersinnliche Phänomene (Hellseherei und Magnetismus). Aufsehen erregte Lavaters Teilübersetzung von Bonnets "Philosophischer Palingenesie", die er 1769 unter dem vom Autor gewünschten, missverständlichen Titel "Philosophische Untersuchung der Beweise für das Christenthum" veröffentlichte und auf Vorschlag des Zürcher Antistes und obersten Zensors, Johann Rudolf Ulrich, Mendelssohn widmete. Diese Widmung galt bisher als Aufforderung an den jüdischen Gelehrten zur Konversion, was aber – gemäss öffentlicher Erklärung – nicht Lavaters Absicht war. Er hatte unter anderem ein philosophisches Gutachten über Bonnets Unsterblichkeitshypothesen erhofft, das es ihm ermöglicht hätte, seinen eigenen, von Bonnet abweichenden Keimbegriff öffentlich vorzulegen. Ausgehend von Bonnets "Höchster Vollkommenheit des Zusammengesetzten" und der kabbalistischen Vorstellung vom Licht- oder Ätherleib, entwickelte Lavater in teils unveröffentlichten Schriften ein kohärentes naturphilosophisches System der substanziellen Gottebenbildlichkeit aller Menschen, das vor allem seine "Physiognomischen Fragmente" bestimmte. Mit der vierbändigen deutschen und der ebenso umfangreichen, stark überarbeiteten französischen Fassung traf er das grosse Interesse der Zeit am Individuum und seiner je spezifischen inneren und äusseren Gestalt. Bei der Erarbeitung der Physiognomik ist Lavater vom festen Glauben an das Fortbestehen der apostolischen Gaben (gemäss 1. Korintherbrief) ausgegangen, das er im Geiste seiner Zeit naturwissenschaftlich zu untermauern suchte.

Lavaters Stellung im Waserhandel 1780 ist umstritten. Politisch Positives hat er geleistet durch sein Eintreten für die Surbtaler Juden 1775, die elsässischen Juden 1789, im Stäfnerhandel 1794-1795 und gegen die französische Besatzung 1798. Im selben Jahr forderte Lavater die politisch-rechtliche Gleichstellung von Kirche und Synagoge. Lavaters Deportation nach Basel und seine schliesslich zum Tode führende Verwundung in Zürich verhinderten Fertigstellung und Publikation des Textes.

Quellen und Literatur

  • Reisetagebücher, 2 Tl., hg. von H. Weigelt, 1997
  • Ausgewählte Werke in hist.-krit. Ausg., 1-, 2001-
  • ZBZ, Lavater-Archiv
  • G. Luginbühl-Weber, Johann Kaspar Lavater – Charles Bonnet – Jacob Bennelle: Briefe 1768-1790, 1997
  • Das Antlitz Gottes im Antlitz des Menschen, hg. von K. Pestalozzi und H. Weigelt, 1994
  • Johann Caspar Lavater: das Antlitz, eine Obsession, Ausstellungskat. Zürich, 2001
Weblinks
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Kurzinformationen
Familiäre Zugehörigkeit
Lebensdaten ∗︎ 15.11.1741 ✝︎ 2.1.1801

Zitiervorschlag

Gisela Luginbühl-Weber: "Lavater, Johann Kaspar", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.11.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010444/2008-11-27/, konsultiert am 18.03.2024.