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Kastlan

Amtsträger (lat. castellanus), der die polit. Macht auf lokaler Ebene vertrat und im zugeteilten Gebiet, der Kastlanei, mehrere Funktionen ausübte: militärische und finanzielle, administrative und wirtschaftliche. Mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, stellten der K. und die Kastlanei den Kern der landesherrl. Macht in einem Herrschaftsgebiet dar. Die Bedeutung des Amtes wuchs v.a. vom 13. Jh. an, als sich die überregionalen polit. Organismen, etwa die Herrschaften der Savoyer oder der Habsburger, immer mehr in Richtung Landesherrschaft entwickelten. Der Begriff K. galt hingegen nicht im gesamten schweiz. Raum für öffentl. Amtsträger, welche die Herrschaft in ländl. Gebieten vertraten: Die Habsburger und die eidg. Orte herrschten eher mittels Land- und Kastvögten. K.e wurden im 13. und 14. Jh. besonders von den Grafen und späteren Hzg. von Savoyen (Waadt, Chablais, Unterwallis) eingesetzt. Sie dienten auch anderen regionalen Machthabern im selben geogr. Raum wie den Bf. von Sitten (in den Zenden des Oberwallis) und den Gf. von Neuenburg.

Die Bedeutung des K.s ging über die ihm von der Landesherrschaft übertragenen unterschiedl. und zahlreichen Repräsentations- und Kontrollfunktionen hinaus. Das vor Ort ausgeübte Amt spielte ab dem ausgehenden 13. Jh. sehr bald eine wichtige, herrschaftsstrateg. Bedeutung für die Fam. aus der lokalen oder regionalen polit. Elite. Die mit dem Amt verbundene Aufsichtsfunktion und das auf lokaler Ebene (in der Kastlanei) erworbene Prestige dienten dazu, die eigene Vorherrschaft dank des sozialen Aufstiegs in die Beamtenschaft aufzubauen oder zu festigen. Dieser Aufstieg brachte oft auch eine gewisse geogr. Mobilität mit sich, zum Beispiel wenn ein K. von Savoyen ins Waadtland versetzt wurde. Die Bindung zwischen K. und Kastlanei lockerte sich erst vom 15. Jh. an, als die Tätigkeit ehrenamtlich wurde und nicht mehr die Anwesenheit vor Ort voraussetzte. Der K. war inzwischen zum Höfling geworden, der seiner Kastlanei fernblieb.

Das Amt des K.s und die Kastlanei hielten sich auch während des Ancien Régime. In Neuenburg verschwand das Amt 1848; ebenso im Wallis, wo die K.e im eigentl. Sinn ab dem 17. Jh. Grosskastlane genannt wurden, um sie von den K.en zu unterscheiden, die lokale Beamte waren. Im Waadtland sassen die rund 200 K.e während der Berner Herrschaft den örtl. Gerichten vor. Im Wallis wurde der Titel K. gegen Ende des 20. Jh. noch gelegentlich für die Friedensrichter verwendet.

Quellen und Literatur

  • Peyer, Verfassung, 42-60
  • G.P. Marchal, Sempach 1386, 1986
  • G. Castelnuovo, Ufficiali e gentiluomini, 1994, 122-126, 231-341
Weblinks

Zitiervorschlag

Guido Castelnuovo: "Kastlan", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.07.2007, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010354/2007-07-26/, konsultiert am 28.03.2024.