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Korporationen

Korporationen sind Körperschaften, die aus der gemeinsamen Nutzung der mittelalterlichen Gemeinmarchen – Allmenden, Wälder und Alpen – hervorgingen und denen die germanisch-genossenschaftliche Rechtstradition zugrunde liegt. Die im 19. Jahrhundert aufgekommene Ansicht, dass die Korporationen aus ursprünglichen Markgenossenschaften entstanden seien (Genossenschaft), gilt heute als überholt. Vielmehr nutzten Personenverbände gemeinsam Wälder, Weiden, Alpen, Gewässer und Wege und nahmen dadurch allmählich körperschaftliche Strukturen an. Die Entwicklung zu eigentlichen Körperschaften vollzog sich erst im Spätmittelalter, als die genossenschaftliche Nutzung der Gemeinmarchen wegen der zunehmenden Bevölkerung und der wachsenden Bedeutung der Grossviehhaltung gestrafft und besser organisiert wurde.

Die Entstehung der Korporationen erfolgte unterschiedlich: Vielerorts integrierten die Bauern im Zuge der Siedlungsentwicklung und des Landesausbaus das herrschaftslose Land allmählich in ihre genossenschaftliche Nutzung. Wo Grundherrschaften bestanden – wie zum Beispiel in der Waadt, in Einsiedeln und Appenzell –, wurde die Nutzung der Gemeinmarchen von diesen bestimmt und organisiert oder zumindest die von den Genossen erlassenen Satzungen genehmigt. In Ursern und den Walsergemeinden in Graubünden wurde sie als Anreiz den neuen Siedlern überlassen. Manche Korporationen erwarben ihre Genossengüter ganz oder teilweise durch Kauf.

Auch die Entwicklung der Korporationen verlief nicht einheitlich: Ursprünglich weiträumige Allmendgenossenschaften spalteten sich durch Sondernutzungen kleinerer Siedlungsverbände in mehrere kleinere Korporationen auf. Von diesen verharrten viele ausschliesslich in der Nutzung ihrer Genossengüter. Andere übernahmen staatliche Aufgaben und entwickelten sich zu Dorfgenossenschaften, den Vorgängerinnen der heutigen Gemeinden. Genossengüter waren auch den meisten Städten eigen. An wenigen Orten hatten ganze Talschaften oder Länder – zum Beispiel in Uri und Schwyz – die Nutzung der Gemeinmarchen inne. Oft wurden die korporativen und staatlichen Tätigkeiten der Korporationen zu einer Einheit zusammengefasst.

Ab dem Spätmittelalter und verstärkt während des Ancien Régime waren die Korporationen, Dorfschaften, Städte und Länder bemüht, die Nutzung der Allmendgüter einzuengen und dem Kreis der Alteingesessenen vorzubehalten. Nebst der Abstammung wurde oft die Ortsansässigkeit oder der Besitz einer Liegenschaft innerhalb des fest abgegrenzten Genossenkreises als Voraussetzung für die Nutzungsberechtigung dekretiert. Manche Korporationen lösten sich infolge Teilung der Güter auf.

Die liberale Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts, die durch wachsende Staatsaufgaben gekennzeichnet ist, verstärkte die Absonderungstendenz: Die Mitglieder der Korporationen versuchten, ihre Güter dem Zugriff der öffentlichen Hand zu entziehen. Deshalb entstanden neben den Einwohnergemeinden die Bürgergemeinden, welche einen Teil des Bürgergutes verwalteten (v.a. für Fürsorgezwecke). Daneben konstituierten sich vielerorts – teils aus den Zünften – die Korporationsbürgergemeinden (im Tessin die patriziati), welche die aus der Nutzung der Gemeinmarchen fliessenden Rechte und Pflichten bis heute beanspruchen. Die Zugehörigkeit zu ihnen bildet jedoch keine Voraussetzung mehr für das Gemeinde- und Schweizer Bürgerrecht.

Heutzutage existieren noch zahlreiche nicht an ein Gemeindegebiet gebundene Korporationen. Sie gelten in den meisten Kantonen als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Eigentumsgarantie und weitgehender Autonomie. Im 20. Jahrhundert entstanden in vielen Kantonen Verbände der Bürgergemeinden und Korporationen, welche sich 1945 zum gleichnamigen gesamtschweizerischen Verband zusammenschlossen.

Quellen und Literatur

  • P. Caroni, Le origini del dualismo comunale svizzero, 1964
  • P. Liver, «Das Dorf», in Abhandlungen zur schweizerischen und bündnerischen Rechtsgeschichte, 1970, 122-132
  • R. Göpfert, Festschrift zur 50. Generalversammlung des Schweizerischen Verbandes der Bürgergemeinden und Korporationen, 1994
  • J. Petermann, Die luzernischen Korporationsgemeinden, 1994
  • A. Hubli, Die Genossamen Schillingsrüti und Sattelegg, 1995
  • A. Jörger, Genossame Wangen: Geschichte einer Allmeindgenossenschaft in der March, Kanton Schwyz, 2000
  • H. Stadler-Planzer, P. Stadler, Die Korporation Pfäffikon SZ: Grundlagen, Entstehung, Entfaltung, 2008
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans Stadler: "Korporationen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.10.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010262/2008-10-30/, konsultiert am 29.03.2024.