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Zauberformel

Als Zauberformel wird die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrats entsprechend der Wählerstärke der grossen Parteien 1959-2003 bezeichnet. Bei der Bundesratswahl im Dezember 1959 waren vier Sitze neu zu bestellen. Vor allem auf Betreiben der Konservativ-Christlichsozialen Volkspartei (heute CVP) wurden der FDP (24% Wähleranteil in den Nationalratswahlen 1959), CVP (23%) und SP (26%) je zwei Sitze, der BGB (heute SVP, 12%) ein Sitz zugeteilt. Im Vorfeld der Wahl sprach die Deutschschweizer Presse von der «magischen Formel» (NZZ, 26.11.1959) bzw. von der «Zauberformel» (Aargauer Volksblatt, 4.12.), in der Westschweiz etablierte sich «formule magique» (Gazette de Lausanne, 11.12.), während man zuvor von der «formule proportionnelle» gesprochen hatte, im Tessin «formula magica» (Gazzetta Ticinese, 11.12.). Die Zauberformel brachte die langfristige Integration der SP in die Landesregierung, in der diese Partei ab 1953 nicht mehr vertreten gewesen war.

Parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrats 1848-2016
Parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrats 1848-2016 […]

Die nach der Zauberformel gebildete All- oder Mehrparteienregierung gilt als Ausdruck der Konkordanzdemokratie, bei der alle grossen, referendumsfähigen politischen Lager in die konsensorientierte Entscheidungsfindung eingebunden werden. Die Alternative, also eine auf einer (knappen) Mehrheit beruhende Exekutive, betrachten die Anhänger der Zauberformel als wenig effizient, weil die Opposition die Regierungsarbeit durch den gesteigerten Einsatz des Referendums stark erschweren könne. Dennoch wurde besonders die Beteiligung der SP mehrfach infrage gestellt, einerseits durch die Partei selbst bei der Nicht-Wahl der von ihr vorgeschlagenen Kandidatinnen (1983 Lilian Uchtenhagen, 1993 Christiane Brunner), andererseits durch die bürgerlichen Parteien, die der SP zu häufiges Ausscheren aus dem Regierungskonsens vorwarfen. Einer nach rein arithmetisches Kriterien gebildeten Zauberformel wurde immer wieder die Idee eines gemeinsamen politischen Minimalprogramms als Grundlage für die Zauberformel entgegengehalten. Nach dem Aufstieg der SVP in den 1990er Jahren zur wählerstärksten Partei (1999) widerspiegelte die Zauberformel nicht mehr die Parteienstärke. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, die Zauberformel zu sprengen, ging aus der Bundesratswahl von 2003 eine neue parteipolitische Zusammensetzung hervor: Durch die Nicht-Wiederwahl von Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold verlor die CVP als nur mehr viertstärkste Partei einen Sitz an die SVP. Mit dieser Zusammensetzung des Bundesrats (SVP, FDP, SP je zwei Sitze, CVP ein Sitz) war aber keine neue, dauerhafte Zauberformel entstanden. Denn in der Gesamterneuerungswahl von 2007 wählte die Bundesversammlung anstelle des amtierenden Bundesrats Christoph Blocher (gewählt 2003) die Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf. In der Folge kam es zur Spaltung der SVP und zur Gründung der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP), der auch die beiden bis anhin für die SVP politisierenden Bundesräte beitraten. 2008 wurde für den zurücktretenden ehemaligen SVP-, nun BDP-Bundesrat Samuel Schmid der SVP-Nationalrat Ueli Maurer gewählt. Die sich daraus neu ergebende Zusammensetzung der nationalen Exekutive wurde bei der Gesamterneuerungswahl von 2011 bestätigt: FDP, SP je zwei Sitze, BDP, CVP und SVP je einen Sitz. Gelegentlich wird der Begriff der Zauberformel auch für die nach freiwilligem Proporz gebildeten Kantonsregierungen gebraucht, die allerdings vom Volk direkt gewählt werden.

Quellen und Literatur

  • M. Rosenberg, «Sinn und Zweck der "Zauberformel"», in Im Spannungsfeld der Politik, 1968, 158-162
  • A.F. Reber, Der Weg zur Zauberformel, 1979
  • Zauberformel: fauler Zauber?, hg. von R. Brassel et al., 1984
  • Zauberformel oder fauler Zauber?, hg. von P. Weigelt, 1995
  • NZZ, 27.11.2003 (Begriffsgesch.)
  • Eine andere Schweiz ist möglich, hg. von A. Gross et al., 2003
Weblinks

Zitiervorschlag

Andreas Ineichen: "Zauberformel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.01.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010097/2015-01-25/, konsultiert am 19.03.2024.