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Parlamentarische Kommissionen

Bereits die Tagsatzung und das Zweikammerparlament der Helvetischen Republik haben, wie später die Parlamente auf bundesstaatlicher, kantonaler und kommunaler Ebene, aus ihrer Mitte Kommissionen gebildet. Parlamente sind aufgrund ihrer Mitgliederzahl relativ schwerfällig. Die konkrete parlamentarische Arbeit wird daher weitgehend in kleineren Gremien geleistet, so zum Beispiel die detaillierte Vorberatung der Regierungsvorlagen, die Entwicklung von Initiativen, die Ausarbeitung eigener Gesetzesentwürfe sowie die Kontrolle von Regierung, Verwaltung und Justiz. Die Kommissionen erstatten dem Ratsplenum über ihre Tätigkeit Bericht und stellen Anträge bezüglich der einzelnen Geschäfte; die eigentliche Beschlussfassung bleibt aber in der Regel dem Ratsplenum vorbehalten, da nur die vollständige Volksrepräsentation die nötige demokratische Legitimation verschafft.

Weil die Beratungen der parlamentarischen Kommissionen im Gegensatz zu den Ratsverhandlungen normalerweise nicht öffentlich sind und somit die Kommissionsmitglieder nicht zu den Tribünen bzw. den Medien sprechen, können Lösungen sachlicher diskutiert und tragfähige Kompromisse angestrebt werden. 1990-1994 nahmen die eidgenössischen Räte 94% aller Kommissionsanträge an. Die Kommissionen werden proportional zur Stärke der Fraktionen im Rat zusammengesetzt; Wahlorgan ist meistens das Ratsbüro, in Kantonen und Gemeinden manchmal, wie früher auch in den eidgenössischen Räten, das Ratsplenum. Man unterscheidet zwischen ständigen Kommissionen, die für eine bestimmte Amtsdauer, meist eine Legislaturperiode, gewählt werden, und nicht ständigen Kommissionen, die zur Vorberatung eines bestimmten Geschäfts eingesetzt und nach deren Abschluss wieder aufgelöst werden. Ständige Kommissionen bieten bessere Voraussetzungen für eine rationelle Arbeitsorganisation, für die Förderung des Sachverstands der Kommissionsmitglieder, für die Kontinuität der politschen Willensbildung sowie für die Stärkung der Gesetzgebungs- und Initiativfunktion des Parlaments gegenüber Regierung, Verwaltung und ausserparlamentarisch organisierten Interessen.

Ständige Kommissionen der eidgenössischen Räte (Stand 2009)

Legislativkommissionen
Aussenpolitische KommissionAPK
Kommission für Wissenschaft, Bildung und KulturWBK
Kommission für soziale Sicherheit und GesundheitSGK
Sicherheitspolitische KommissionSiK
Kommission für Umwelt, Raumplanung und EnergieUREK
Kommission für Verkehr und FernmeldewesenKVF
Kommission für Wirtschaft und AbgabenWAK
Staatspolitische KommissionSPK
Kommission für RechtsfragenRK
Kommission für öffentliche BautenKöB
Kontrollkommissionen
FinanzkommissionFK
GeschäftsprüfungskommissionGPK
Kommissionen der Vereinigten Bundesversammlung
GerichtskommissionGK
BegnadigungskommissionBeK
Gemeinsame Kommissionen beider Räte
Redaktionskommission 
Koordinationskonferenz (beide Ratsbüros) 
Verwaltungsdelegation 
Finanzdelegation 
Geschäftsprüfungsdelegation 
Ständige Kommissionen der eidgenössischen Räte (Stand 2009) -  Parlamentsdienste

Im 19. Jahrhundert wurden im eidgenössischen Parlament nur nicht ständige Kommissionen eingesetzt (Bundesversammlung); erst seit 1903 wurden die Mitglieder der Finanzkommissionen beider Räte, seit 1920 bzw. 1927 diejenigen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats und der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats für die ganze Legislaturperiode gewählt. Im Lauf des 20. Jahrhunderts bildete sich ein Mischsystem mit beiden Kommissionstypen heraus. Lange wehrte man sich gegen die Einrichtung weiterer ständiger Kommissionen, weil man den Folgen einer zu weit gehenden Spezialisierung der Parlamentarier misstraute; ausserdem befürchtete insbesondere die Exekutive eine vermehrte Einmischung der Parlamentarier in ihre Domänen. Erst 1991 setzte sich die Überzeugung durch, dass die stetig wachsenden Aufgaben des Miliz- bzw. Halbberufsparlaments nur mit einer fachlicher Professionalisierung zu bewältigen seien. Die gesetzliche Beschränkung der Amtsdauer für Kommissionsmitglieder auf sechs Jahre wurde aufgehoben und ein System mit je zwölf ständigen Kommissionen in National- und Ständerat eingeführt. Die Nationalratskommissionen bestehen in der Regel aus 25, die Ständeratskommissionen aus 13 Mitgliedern. Für besondere Probleme können die Räte Spezialkommissionen einsetzen, so zum Beispiel eine Parlamentarische Untersuchungskommission mit erweiterten Befugnissen zur Wahrnehmung der parlamentarischen Oberaufsicht.

Die Kantone machten eine analoge Entwicklung durch. Die meisten kennen heute ein Mischsystem mit ständigen Aufsichtskommissionen und nicht ständigen Legislativkommissionen; einige sind aber, zum Teil bereits vor dem Bund, zu einem System mit ständigen Kommissionen übergegangen.

Quellen und Literatur

  • C. Burkhard, Die Parlamentarischen Kommissionen der schweiz. Bundesversammlung, 1952
  • R. Lüthi, Die Legislativkommissionen der Schweiz. Bundesversammlung, 1997
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Graf: "Parlamentarische Kommissionen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010089/2010-09-27/, konsultiert am 28.03.2024.