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Ukraine

Situationskarte Ukraine © 2010 HLS und Kohli Kartografie, Bern.
Situationskarte Ukraine © 2010 HLS und Kohli Kartografie, Bern.

Durch den Zusammenschluss ostslawischer Stämme bildete sich im 9. Jahrhundert das Kiewer Reich, das 988 von Byzanz aus christianisiert wurde und im 11. und 12. Jahrhundert seine politische und kulturelle Blüte erlebte. Der Mongolensturm 1240 und Erbteilungen brachten es unter litauische und polnische Herrschaft (14.-16. Jh.). Im Zuge der polnischen Teilungen 1772, 1793 und 1795 fiel der grösste Teil der Ukraine an Russland. Österreich erhielt Galizien und die Bukowina. Während sich unter den österreichischen Ukrainern (Ruthenen) nach 1848 ein Nationalbewusstsein entfaltete, waren die Kleinrussen des Zarenreichs der Russifizierung ausgesetzt. 1917 erfolgte die Gründung der Ukrainischen Volksrepublik (UNR), 1919 jene der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik (Teil der Sowjetunion). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dem Land die 1921 an Polen gefallene Westukraine, die Nordbukowina und die Karpatoukraine sowie 1954 die Krim angegliedert. Am 24. August 1991 erklärte die Ukraine ihre Unabhängigkeit. Die Ukraine ist eine Republik mit präsidial-parlamentarischem Regierungssystem.

Erste Kontakte zur Schweiz reichen in die Zeit des Humanismus und der Reformation zurück, als rutheni an der Universität Basel und der Akademie Genf studierten. Graf Gregor Razoumowsky liess sich 1782 in Lausanne nieder, wo er 1783 zu den Gründern der Société des Sciences Physiques gehörte. Zu den Schweizreisenden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zählten Nikolai Wassiljewitsch Gogol, die Erzählerin Marko Wowtschok, der Rechtshistoriker Maxim Kowalewsky und die Dichterin Lesja Ukrajinka. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Ukraine ein Auswanderungsziel für Schweizer. Bei Odessa gründeten diese Neu-Lancy, auf der Krim Zürichtal sowie in Bessarabien die Winzerkolonie Chabag (Schabo). Die Eröffnung des Schweizer Konsulats in Odessa erfolgte 1820. Im späteren 19. Jahrhundert zählten Bündner Zuckerbäcker zu den Besitzern namhafter Konditoreien und Cafés in Kiew, Odessa und Charkow (u.a. die Stiffler und die Fanconi). Nach 1870 befanden sich unter den Studierenden und politischen Emigranten des Zarenreichs auch viele aus der Ukraine, so der Nationalökonom Nikolai Siber und der Historiker Michel Dragomanow, der für die Ukraine Autonomie in einem nach Schweizer Vorbild föderalisierten Russischen Reich forderte. Während des Ersten Weltkriegs waren Genf, Lausanne und Bern Zentren exilukrainischer Aktivitäten (u.a. ukrainisches Pressebüro, Büro der Nationalitäten Russlands). Die UNR bzw. ihre Exilregierung unterhielt 1918-1926 eine diplomatische Mission in Bern; in Kiew bestand ab 1902 ein Schweizer Konsulat. In der Zwischenkriegszeit war Genf als Sitz des Völkerbunds Wirkungsort von ukrainischen Emigranten, UNR-Vertretern sowie Politikern aus der Westukraine (Jewhen Konowalez, Eugène Batchinsky, Mychajlo Jeremijiw, Milena Rudnycka). 1945 schlossen sich die Ukrainer in der Schweiz zum Ukrainischen Verein in der Schweiz zusammen. Das in Thun angesiedelte Kuratorium Geistige Freiheit gab um 1980 Texte ukrainischer Dissidenten, Bürgerrechtler und oppositioneller Dichter in deutscher Übersetzung heraus. 1992-2003 bestand eine Schweizerisch-Ukrainische Gesellschaft zur Förderung gegenseitiger Kontakte.

Die Anerkennung der Ukraine durch die Schweiz erfolgte am 23. Dezember 1991; 1993 wurden der Schweizer Botschafter in Kiew und der ukrainische Botschafter in Bern akkreditiert. 1996 trat ein bilaterales Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Kraft. Die Exporte der Schweiz in die Ukraine beliefen sich 2010 auf 466 Mio. Franken, die Importe auf 56 Mio. Franken Die Schweiz unterstützte die Ukraine 2010 mit mehr als 10 Mio. Franken (u.a. für das Gesundheitswesen, die Justizreform und die nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung). Private, kommunale und kirchliche Organisationen leisteten humanitäre und medizinische Hilfe, vor allem ab 1986 an die Opfer des Reaktorunfalls von Tschernobyl. 2010 lebten 4843 Bürger der Ukraine in der Schweiz und 148 Schweizer in der Ukraine (davon 58 Doppelbürger).

Quellen und Literatur

  • R. Bühler et al., Schweizer im Zarenreich, 1985

Zitiervorschlag

Monika Bankowski-Züllig: "Ukraine", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.01.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/025007/2013-01-24/, konsultiert am 29.03.2024.