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Allmend

Als Allmenden bezeichnet werden Weiden-, Wald- und Ödlandflächen, die von den dazu berechtigten Bewohnern eines Siedlungsverbands ― eines oder mehrerer Dörfer, Weiler oder Hofgruppen ― zur kollektiven wirtschaftlichen Nutzung ausgeschieden waren. Innerhalb des idealtypischen Modells einer verzelgten dörflichen Wirtschaft (Dorf) stellte die Allmend neben der Ackerflur und dem Wohnbereich mit Hofstätten und Gärten die dritte ökonomisch-rechtliche Zone dar (Zelgensysteme).

Entstehung, Bedeutung und Ausgestaltung

Die Frage, wann Allmenden entstanden seien, wurde in der Rechtsgeschichte vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite postulierten Vertreter der sogenannten Markgenossentheorie (Markgenossenschaft) aufgrund der Auswertung klassisch-historischer Quellen (Caesar) wie auch frühmittelalterlicher germanischer Stammesrechte (z.B. Lex Salica) deren Wurzeln in altgermanischer Zeit: Das durch germanische Hundertschaften in Besitz genommene Land sei ursprünglich als Ganzes kollektiv genutzt und erst mit der Auflösung der Sippenverbände ― vorerst im Bereich der Höfe, später auch der Feldflur ― einer privaten Nutzung zugeführt worden. Dabei sei einzig die Allmend in kollektivem Besitz des dörflichen Siedlungsverbands, der Markgenossenschaft, verblieben. Die in unserem Raum vom 13. Jahrhundert an vor allem in Offnungen öfters unter dem Begriff Gemeinmark auftauchenden Allmenden interpretierten sie als Zeugen der frühmittelalterlichen Markgenossenschaft, den hochmittelalterlichen Rechtsverband des Dorfes dementsprechend als Weiterführung derselben. Kritiker dieser Theorie gingen dagegen davon aus, dass die individuelle Güternutzung der kollektiven zeitlich vorausgegangen sei. Erst der hochmittelalterliche Landesausbau habe das Bedürfnis geschaffen, den Kreis der Nutzungsberechtigten wie auch den Nutzungsumfang des bis dahin nur sehr extensiv genutzten Allmendlandes zu begrenzen und damit zu regeln. Diese Ansicht wird gestützt durch neuere Erkenntnisse der Siedlungs- wie auch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, wonach das Dorf mit kollektiv organisierter Flurbewirtschaftung ein Phänomen des Hochmittelalters ist, während im Frühmittelalter eine Siedlungsweise mit zum Teil fluktuierenden Hofgruppen und Weilern sowie individuell organisierter Felderbewirtschaftung vorherrschten.

Für die Viehwirtschaft war die Allmend bis zur Einführung der Stallfütterung im Sommer von grundlegender Bedeutung. Neben dem Wiesland und den Stoppelfeldern der Ackerflur wurde auch der Wald beweidet, insbesondere durch Schweine ― die wichtigsten mittelalterlichen Fleischlieferanten ―, die im Herbst mit Eicheln und Bucheckern gemästet wurden. Der Wald lieferte zudem Bau- und Brennholz, und schliesslich ergänzte das sammelwirtschaftlich genutzte Angebot an Früchten, Beeren und Pilzen die Nahrung der Bevölkerung oder sicherte diese im Falle von Missernten. Stets hatte die Allmend auch die Funktion einer Landreserve, auf die bei Bedarf zurückgegriffen werden konnte.

Solange im Frühmittelalter genügend Landressourcen vorhanden waren, war die Grenze zwischen ackerbaulich genutzten Flächen und der Allmend fliessend, indem Teile derselben temporär unter den Pflug genommen werden konnten. Die Nutzung der Allmend erfolgte dementsprechend willkürlich und frei ― allfällige Konflikte konnten über nachbarschaftliche Absprachen geregelt werden. Unterschiede bezüglich der Nutzungsregelung gab es allenfalls zwischen den grundherrschaftlich schwächer bzw. stärker durchdrungenen Regionen des Alpenraums und des Mittellands, indem in Letzteren die Nutzung der Allmend grundherrlich gesteuert werden konnte. Im Rahmen des hochmittelalterlichen Landesausbaus wurde vermehrt auf die Landreserve Allmend zurückgegriffen, und Teile derselben wurden auf Dauer der kollektiven Nutzung entzogen. Beispiele dafür sind die auf Allmendland gegründeten Ausbauhöfe, ebenso einzelne schon im Hochmittelalter vollzogene Allmendteilungen: In Olivone etwa war ein Grossteil der Allmend im frühen 13. Jahrhundert schon parzelliert und wurde nur noch individuell beweidet.

Der umfassende Prozess der territorialen Abgrenzung der Allmend gegenüber anderen Wirtschaftszonen, der Eingrenzung des Kreises der Nutzungsberechtigten wie auch von deren Nutzungsrechten vollzog sich vom Hochmittelalter an regional wie auch zeitlich gestaffelt. Im Mittelland wurde die Allmend im 12./13. Jahrhundert auf dem Höhepunkt des hochmittelalterlichen Landesausbaus im Zuge der Verdorfung und Verzelgung definitiv von der Ackerflur abgegrenzt. Der Kreis der Nutzungsberechtigten schloss sich insbesondere nach der Mitte des 15. Jahrhunderts ab, als dem demografischen und wirtschaftlichen Einbruch der Krise des Spätmittelalters ein Wiederaufschwung folgte. Voraussetzung zur Allmendnutzung war häufig der lang dauernde Besitz einer Hofstatt innerhalb der Dorfgemarkung. Neu Zugezogene mussten sich dieses Recht mit einem Einzugsgeld erkaufen. Ebenso wurde in dieser Zeit der Umfang der Nutzung immer mehr beschränkt, insbesondere im Bereich der Holznutzung. Im Alpen- und Voralpenraum setzte eine analoge Entwicklung bereits im Laufe des 14. Jahrhunderts ein. Sie steht unter anderem im Zusammenhang mit einer Spezialisierung in Richtung einer marktorientierten Viehwirtschaft. Weitverbreitet war in diesem Raum die sogenannte Winterungsregel, wonach Bauern nur soviele Tiere auf die Allmend treiben durften, wie sie im Stall überwintern konnten.

Veränderungen in der frühen Neuzeit und Auflösung

Gewöhnlich verfügten die Dörfer aller Agrarzonen auch in der frühen Neuzeit über Allmenden, ja, sie benötigten diese in der Regel, weil sie ohne Allmenden die je typisch bäuerliche Wirtschaft nicht betreiben konnten. Der Kornlandbauer brauchte vor allem die Allmendweide, um die Ernährung des Zugviehs sicherzustellen. Ochsen und Pferde wurden hauptsächlich auf der Weide ernährt, weil die Heuvorräte nur für wenige Wochen gereicht hätten. Kühe, die zur Kälberzucht und zur Milchgewinnung, zudem häufig auch als Zugtiere genutzt wurden, sowie Kleinvieh (Schafe, Ziegen, Schweine) ergänzten die Herden der Zugtiere auf der Allmend. Im alpinen Gebiet, wo Viehzucht und Milchwirtschaft eine grössere Bedeutung hatten, waren Allmenden nicht nur für die Sömmerung der Tiere, sondern auch für die Weide in den übrigen Jahreszeiten notwendig. Auch die Wälder waren vorwiegend Allmend, wobei die Dorfgemeinde häufig die Nutzungsberechtigung genau vorschreiben musste.

Mit der Bevölkerungszunahme in der frühen Neuzeit wurden die Allmenden zum knappen Gut. Im «Kornland» häuften sich im 16. und 17. Jahrhundert die kommunalen Massnahmen, um die Nutzungsrechte zuzuteilen. Die Gemeinde wandten dabei folgende Kriterien an: den Bodenbesitz in der Zelg (Real- oder Gütergemeinde), den Besitz eines Hauses (Häusergemeinde) oder die Zahl der Personen bzw. Familien (Personalgemeinde). Anhand eines dieser Kriterien wurde festgelegt, wie viele Tiere ein Dorfgenosse auf der Allmend weiden durfte. Das Recht auf die Allmendnutzung wurde an den meisten Orten «Gerechtigkeit», im Bernbiet auch «Rechtsame» genannt. Die «Gerechtigkeit» war ein wichtiges Zubehör zum Gemeindebürgerrecht (Gemeinde). Die Auftriebsordnungen (Zuteilung der Weiderechte) gingen von einer Einschätzung der Weidekapazität einer Dorfgemarkung aus. In manchen Gebieten wurde vorgängig die Tragfähigkeit der Allmend abgeschätzt (Seyung). Trotzdem gab es viele Konflikte um die Allmend, etwa zwischen den Eigentümern von Grossvieh und von Kleinvieh. Die aufklärerischen Landwirte des 18. Jahrhunderts beklagten überdies die schlechte Pflege der Allmenden, ja ihre Verwahrlosung. Eine ähnliche Entwicklung ergab sich bei der Nutzung der Allmendwälder. Zahlreiche Gemeinden erliessen insbesondere von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an Holzordnungen, die den Zugang zu den immer knapper werdenden Ressourcen des Waldes regelten.

Allmendteilungen bedeuteten eine umwälzende Veränderung in der Geschichte des bäuerlichen Grundbesitzes und auch der Bodennutzung. Die Aufteilung der Allmend war gewissermassen der letzte Schritt eines Jahrhunderte währenden Vorgangs, der Gemeindebesitz in Sondereigentum verwandelte. Allmendteilungen sind vom 15. Jahrhundert an nachweisbar, zuerst in der voralpinen Zone (z.B. im Emmental). Im 16. und 17. Jahrhundert nahmen sie ― vorwiegend als partielle Teilungen ― zu und griffen auch auf das «Kornland» über. Gesamtteilungen gab es nach gegenwärtigem Kenntnisstand erst in der nordalpinen Übergangszone des höheren Mittellandes und der Voralpen.

Im 18. Jahrhundert akzentuierte sich der Konflikt um die Allmendweiden: Die Tauner nutzten dieselben vor allem für ihr Kleinvieh, während die Voll- und Halbbauern dort ihre Zugtiere weiden wollten. Damit konkurrierte der Nahrungsbedarf der dörflichen Unterschicht mit den Interessen des Getreidebauern. Die aufklärerischen Agronomen plädierten angesichts dieser Problematik für die Aufteilung der Allmenden (Agrarrevolution). Auf eine Preisfrage der Berner Ökonomischen Gesellschaft plädierten ein Pfarrer und ein Landedelmann in ihren prämierten Beiträgen für die Aufteilung der Allmendweiden: So würden das Wiesland besser gepflegt und Gross- sowie Kleinvieh besser ernährt. Trotz solcher Kontroversen blieben die Allmenden im Ancien Régime meistens intakt. Indessen gab es durch die ganze frühe Neuzeit hindurch in zunehmendem Masse den Brauch, bedürftigen Dorfgenossen Pflanzland im Allmendbereich, selbst im Allmendwald, zuzuweisen. Manchmal handelte es sich dabei um zeitlich beschränkte, manchmal um dauernde Nutzungsrechte.

Eine neue Epoche in der Geschichte der Allmend leitete die helvetische Gemeindegesetzgebung ein. Bei der Zweiteilung der Munizipalorganisation, der Trennung von Einwohner- und Bürgergemeinde, blieben die Allmenden der Letzteren vorbehalten. Allmendnutzen, zum Beispiel Holz, stand fortan nur noch den Ortsbürgern zu und wurde diesen zugeteilt oder zur Wahrnehmung sozialer Verpflichtungen verkauft. In dieser Form hat sich die Allmend bis in die Gegenwart erhalten, obgleich das Grundeigentum der Bürgergemeinden in vielen Gegenden abgenommen hat.

Quellen und Literatur

  • HWSVw 1, 38-43
  • K.S. Bader, Stud. zur Rechtsgesch. des ma. Dorfes, 3 Bde., 1957-1973, insbes. Bd. 1, 116-182; Bd. 2, 47-51, 57-64; Bd. 3, 296-298
  • F. Häusler, Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 2, 1968
  • HRG 1, 108-120
  • LexMA 1, 439 f.; 7, 298-300
  • D. Rogger, Obwaldner Landwirtschaft im SpätMA, 1989, 49-58, 266-270
  • R. Sablonier, «Innerschweizer Gesellschaft im 14. Jh.», in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 2, 1990, 64, 91-99
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Leonhard; Markus Mattmüller: "Allmend", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.05.2001. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013704/2001-05-17/, konsultiert am 12.03.2024.