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Elsass

Der Name Elsass wurde in der lateinischen Form Alsatius schon im 7. Jahrhundert zur Bezeichnung des Landes zwischen Vogesen, Rhein und Jura verwendet. Heute umfasst das Elsass (französisch Alsace) die Departemente Haut-Rhin, Bas-Rhin sowie das Gebiet von Belfort (Territoire de Belfort). Vom 8. Jahrhundert an gehörte das Oberelsass zur Diözese Basel und das Unterelsass zur Diözese Strassburg. In der Karolingerzeit zählte man auch die Abtei Moutier-Grandval und einen Teil des Juras zum Elsass. Die Kontakte zwischen elsässischen geistlichen Fürstentümern und Klöstern und solchen im Gebiet der heutigen Schweiz waren sehr eng: Ein Bischof von Basel war zum Beispiel gleichzeitig Abt von Murbach. Gut bezeugt sind die Beziehungen zwischen St. Gallen und dem Bischof von Strassburg. Das St. Galler Verbrüderungsbuch verzeichnet viele Einträge von Personen elsässischen Ursprungs. Die Abtei Murbach war vom 8. Jahrhundert bis 1291 Herr von Luzern, das Kloster Im Hof blieb der elsässischen Abtei in geistlichen Angelegenheiten bis 1456 unterworfen. Das Cluniazenserpriorat St. Peter, das einer der Siedlungskerne Colmars war, wurde von der Abtei Payerne gegründet.

Berner und Solothurner Truppen brennen 1468 das Dorf Didenheim nieder. Abbildung aus der Eidgenössischen Chronik von Werner Schodeler, wiedergegeben 1572 von Christoph Silberysen (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 2, Fol. 8r; e-codices).
Berner und Solothurner Truppen brennen 1468 das Dorf Didenheim nieder. Abbildung aus der Eidgenössischen Chronik von Werner Schodeler, wiedergegeben 1572 von Christoph Silberysen (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 2, Fol. 8r; e-codices). […]

1466 schloss Mülhausen für die Dauer von 25 Jahren ein Bündnis mit Bern und Solothurn sowie 1506 ein weiteres mit Basel. 1515 wurde die Stadt schliesslich zugewandter Ort der 13 Kantone. Die Basler Klöster (St. Alban, Klarissen, Dominikaner), das Domkapitel und der Adel (z.B. die Herren von Eptingen) besassen Güter und Rechte im Elsass. Während des 14. und 15. Jahrhunderts war das Elsass Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen; davon zeugen zahlreiche Bildchroniken. In Fehden Basels mit elsässischen Adeligen zerstörten die städtischen Truppen mehrere Dörfer. Die Beziehungen des Elsass zur Eidgenossenschaft betrafen in erster Linie Basel. 1460 wurde die Basler Universität gegründet, an der Elsässer wie Peter von Andlau oder Johann Ulrich Surgant wichtige Rollen spielten.

In der Zeit des Humanismus und der Reformation intensivierten sich die intellektuellen Beziehungen zwischen dem Elsass und der Schweiz. Gut dokumentiert sind die Kontakte zwischen Basler und Strassburger Druckern sowie zwischen Basler und Elsässer Autoren: Sebastian Brant, der Dichter des "Narrenschiffs", lebte in Basel und Strassburg; Beatus Rhenanus war mit den Amerbachs, Johannes Froben und Erasmus von Rotterdam befreundet. Enge Beziehungen pflegten vor allem während der Reformation auch verschiedene eidgenössische und elsässische Geistliche untereinander wie auch mit den humanistischen Gelehrten. Bekannt sind zum Beispiel die Freundschaft der Elsässer Martin Bucer und Leo Jud mit Huldrych Zwingli sowie diejenige zwischen Nikolaus Prugner, dem Reformator von Mülhausen, und Johannes Oekolampad. Auch Johannes Calvin verbrachte einige Jahre in Strassburg. Schweizer Städte boten Zuflucht und Hilfe, wenn elsässische Städte in Bedrängnis waren (etwa Mülhausen 1587). In den folgenden Jahrhunderten wurden die Kontakte etwas schwächer. Im 18. Jahrhundert besuchten auch Schüler aus dem Elsass das Kollegium von Bellelay wie umgekehrt Schweizer die von Gottlieb Konrad Pfeffel in Colmar gegründete Militärakademie.

Nach dem Westfälischen Frieden 1648, mit dem der Grossteil des Elsass zu Frankreich kam, wandelten sich die Beziehungen zur Schweiz. Fast das gesamte Oberelsass, ein wichtiger Teil der Diözese Basel, war nun französisch; einzig Mülhausen, das 1515-1587 mit allen Kantonen, 1587-1777 mit den reformierten Kantonen und danach wiederum mit der gesamten Eidgenossenschaft verbündet war, wurde Frankreich erst 1798 einverleibt. Das im Dreissigjährigen Krieg verwüstete Elsass wurde von vielen Schweizer Einwanderern beider Konfessionen – Katholiken vor allem aus dem Kanton Luzern, Reformierte vor allem aus dem Kanton Bern – wiederbevölkert. Die Wiedertäufer entwickelten die Landwirtschaft im Ried und in der Gegend von Markirch (Sainte-Marie-aux-Mines), wo es 1693 zur Abspaltung der Amischen von den Schweizer Wiedertäufern kam. Diese Einwanderung, die für das Fürstentum Murbach und die Herrschaft Hanau besonders gut erforscht ist, trug wesentlich zum Wiederaufbau des Elsass bei. Später wurde Getreide, Vieh und Salz aus dem Elsass in die Schweiz ausgeführt; Georges Livet bezeichnete den Sundgau gar als den "Brotkasten der Eidgenossenschaft". Gut bezeugt ist auch die Teilnahme von Elsässern an den Basler und Genfer Messen. Basler Bürger wiederum beteiligten sich an der Gründung von Indienne-Manufakturen (1746), die das Landschaftsbild des Oberelsass gründlich verändern sollten. Die Tradition intellektueller und militärischer Zusammenarbeit blieb weiterhin lebendig, vor allem dank Familien, die in der Schweiz wie im Elsass zu Hause waren. Die Waldner von Freundstein, die Bürger von Aarau, Basel und Mülhausen waren, befehligten ein Schweizerregiment im Dienste Frankreichs. Josua Hofer, Stadtschreiber von Mülhausen, war Mitglied der Helvetischen Gesellschaft.

Die Französische Revolution unterbrach die jahrhundertealten Kontakte zwischen Basel und dem Oberelsass. Die 1790 erfolgte Unterteilung Frankreichs in Departemente, von denen jedes ein Bistum wurde, veränderte die kirchliche Landkarte völlig. Die Bischöfe hatten nun ihre Sitze im jeweiligen Hauptort des Departements, im Elsass also in Colmar. Mülhausen wurde 1798 nicht der Helvetischen Republik, sondern Frankreich zugeschlagen. Das 1793 gebildete Departement Mont-Terrible wurde 1800 aufgelöst, sein Gebiet blieb bis 1814 in das Departement Haut-Rhin eingegliedert. Delsberg und Pruntrut waren wie Altkirch, Belfort und Colmar Unterpräfekturen. Während und nach der Revolution blieben jedoch die religiösen Bande weiterhin lebendig, wie die Wallfahrten nach Mariastein zeigen. Auch die wirtschaftlichen Verflechtungen bestanden fort; in den Kriegszeiten waren sie eher kleinräumig und nachbarschaftlich, nach Friedensschluss wurden sie sofort wieder sehr intensiv und grossräumig. So gründeten Schweizer Textilunternehmen Tochterfirmen im Elsass, etwa Ziegler-Greuter in Gebweiler und Sandoz in Sennheim (Cernay). 1844 wurde die Eisenbahnlinie zwischen Basel und Strassburg vollendet, die erste Bahnstrecke auf eidgenössischem Boden. Die Schweiz und vor allem Basel blieben der bevorzugte Zufluchtsort der Gegner aller französischen Regime (v.a. während der Restauration und der Julimonarchie). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts strömten viele Emigranten nach Basel; bis 1914 blieb die Grenze für politische Flüchtlinge weit offen. Viele Elsässer studierten im 19. und 20. Jahrhundert an der Universität Freiburg (1889-1939 236, davon 210 an der theologischen Fakultät).

Nach 1870 und der Eingliederung des Elsass in das Deutsche Reich änderten sich die Beziehungen zur Schweiz nochmals. Besonders die nahe Umgebung Basels (Saint-Louis, Hüningen), wo sich grosse Schweizer Unternehmen niederliessen, entwickelte sich rasch. Die Eisenbahnverbindung nach Frankreich wurde über Boncourt nach Delle umgeleitet. Ab 1918 und vor allem nach 1945 verfestigten sich die wirtschaftlichen und politischen Kontakte. Starke Bande der Solidarität zeigten sich 1944 und 1945, als die Schweiz Elsässer Flüchtlinge und dann Kinder und Jugendliche aus dem Departement Haut-Rhin aufnahm. 1946 wurde der zunächst binationale Flughafen Basel-Mülhausen gegründet. Die Zahl der Grenzarbeiter nahm mit den Jahren ständig zu, und die Regio Basiliensis erlebte einen starken Aufschwung. Die Politiker trafen sich regelmässig und schlossen mehrere zwischenstaatliche Abkommen wie zum Beispiel 1992 den Kooperationsvertrag zwischen dem Kanton Jura und dem Departement Haut-Rhin. Die "Romanische Strasse", welche die bedeutendsten romanischen Bauten des Elsass verbindet, führt bis Basel.

Quellen und Literatur

  • L'Alsace et la Suisse à travers les siècles, 1952
  • Histoire de l'Alsace, hg. von P. Dollinger, 1970 (21984)
  • A. Berchtold, Bâle et l'Europe, 1990 (21991)
  • C. Sieber-Lehmann, Spätma. Nationalismus, 1995
  • L'abbaye de Saint-Gall et l'Alsace au haut Moyen Age, hg. von J.L. Eichenlaub, W. Vogler, 1997
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Jean-Luc Eichenlaub: "Elsass", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.11.2012, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007022/2012-11-30/, konsultiert am 28.03.2024.