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Venezuela

Situationskarte Venezuela © 2010 HLS und Kohli Kartografie, Bern.
Situationskarte Venezuela © 2010 HLS und Kohli Kartografie, Bern.

Ein Grossteil des Gebiets des heutigen Venezuela war ab 1717 dem spanischen Vizekönigreich Neugranada unterstellt. 1742 wurde die Provinz Caracas von Neugranada abgetrennt, 1777 entstand ein Generalkapitanat mit Caracas als Hauptstadt. 1819 gründeten Delegierte von Venezuela und Kolumbien die Republik Grosskolumbien, 1821 schloss sich Panama an, 1822 kam Ecuador dazu. Nach inneren Divergenzen zerfiel der Staat 1831 in die Republiken Venezuela, Kolumbien und Ecuador. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vermochte sich Venezuela politisch nicht zu konsolidieren. Es folgten längere Diktaturphasen. Die politische Kultur Venezuelas ist gekennzeichnet durch ein wiederholtes Eingreifen des Militärs in die Innenpolitik.

Die Schweiz verfügte in der Hauptstadt Caracas ab 1909 über ein Honorarkonsulat. 1939 eröffnete sie eine Gesandtschaft, die 1961 zur Botschaft erhoben wurde. Während des Zweiten Weltkriegs vertrat die Schweiz die Interessen Frankreichs, Italiens und Japans mit Schutzmachtmandaten in Venezuela. Umgekehrt nahm die Schweiz in diesen Ländern sowie in Ungarn Schutzmachtmandate für Venezuela wahr. 1964-1975 vertrat die Schweiz die venezolanischen Interessen im sozialistischen Kuba, 1966-1969 in Argentinien. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts führte Venezuela eine Botschaft in Bern. Seit 1979 besteht eine schweizerisch-venezolanische Handelskammer. 2004 nahm das Kultur- und Begegnungszentrum Espacio Suizo seinen Betrieb auf.

Mit der Erschliessung von Erdölquellen und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Wachstum wurde Venezuela für Schweizer Auswanderer interessant. Diese betätigten sich zumeist nicht im Erdölsektor, sondern profitierten von dem aufgrund des Erdölgeschäfts beschleunigten wirtschaftlichen Wandel und der Verstädterung. Schweizer engagierten sich als Unternehmer, Angestellte oder Facharbeiter in der Nahrungsmittelindustrie, der Bauwirtschaft, der Energieversorgung, der Chemieindustrie sowie der Hotelbranche. Nachhaltigen Einfluss in Venezuela hatte der Naturforscher Henri François Pittier. 2010 waren 1824 Schweizer (davon 1473 Doppelbürger) in Venezuela registriert, während 1037 Venezolaner in der Schweiz lebten. Aus der Sicht der Schweiz war Venezuela stets ein interessanter Handelspartner, weil es dem Land aufgrund der Einnahmen aus dem Erdölverkauf nie an Devisen mangelte. 2011 standen Exporte im Wert von 374 Mio. Franken Importen im Wert von 6 Mio. Franken gegenüber. Die Schweizer Ausfuhr von chemischen Produkten, Textilien, Uhren oder Maschinen machte jeweils ein Vielfaches der Einfuhr, vor allem Kakao und Eisenprodukte, aus. Auch in Zeiten autoritärer (1952-1958 Marcos Pérez Jiménez), korrupter (1989-1993 Carlos Andrés Pérez) oder populistischer (1999-2013 Hugo Chávez) Regierungen war die Schweiz an der Aufrechterhaltung normaler Beziehungen interessiert. Seit 1985 schlossen die Schweiz und Venezuela sieben bilaterale Verträge ab, darunter 1993 ein bilaterales Abkommen für den gegenseitigen Schutz von Investitionen und 2008 ein wirtschaftliches Rahmenabkommen. Unternehmen mit Schweizer Beteiligung beschäftigten in Venezuela über 10'000 Personen. Allerdings musste etwa die Firma Holcim nach 2008 85% der Beteiligung an ihrer 1978 gegründeten Tochtergesellschaft im Rahmen der Nationalisierung unter dem Staatspräsidenten Hugo Chávez für eine Entschädigung von 650 Mio. US-Dollar an den Staat Venezuela abtreten. Nestlé gründete 1940 die Firma Industria Láctea Venezolana, errichtete 1943 die erste Milchpulverfabrik in Santa Bárbara und investierte ab den späten 1950er Jahren in weiteren Bereichen der Nahrungsmittelindustrie. Auch die Schweizer Chemieindustrie sowie die Firma Schindler sind seit Jahrzehnten in Venezuela präsent.

Quellen und Literatur

  • EDA, Dok.
  • A. Sommavilla, «Die Kriegsmaterialexporte der Schweiz an das Regime von Pérez Jiménez in Venezuela (1952-1958)», in Unheiml. Geschäfte, hg. von W.L. Bernecker, T. Fischer, 1991, 287-301

Zitiervorschlag

Thomas Fischer: "Venezuela", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003401/2014-01-15/, konsultiert am 28.03.2024.