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AigleGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Hauptort des Bezirks Aigle, an der Einmündung des Tals der Grande Eau in die Rhoneebene. 1150-1154 Alium, 1153 de Aleo, deutsch früher Aelen. 1764 1431 Einwohner (davon 180 deutschsprachig); 1850 2296; 1900 3897; 1950 4271; 1960 4381; 2000 7955 (ca. 25% Ausländer).

Aus der späten Bronzezeit stammen Gräber und Keramiken, aus römischer Zeit eine Villa, Reste eines Aquädukts und eines Gebäudes mit Mosaiken, aus dem Frühmittelalter ein Gräberfeld. Im 11./12. Jahrhundert erbauten die Adligen d'Aigle eine Burg, die im 14. Jahrhundert von den Savoyern wieder aufgebaut wurde. An ihrer Stelle steht die von den Bernern 1587 errichtete Maison de la dîme (Zehntenscheune). Daneben stand die von den de Saillon nach 1231 errichtete Burg. Die Kapelle Saint-Pierre, Kern des Ortsteils La Chapelle, gehörte von 1177 an dem Hospiz auf dem Grossen St. Bernhard. Im 12. und 13. Jahrhundert stritten die Abteien Saint-Maurice und Ainay um den Besitz des Priorats Saint-Maurice in Aigle, um welches der Ortsteil Le Cloître entstand (ab dem 11. Jahrhundert zur Abtei Saint-Maurice gehörig). 1231 erhob Graf Thomas I. von Savoyen die Siedlung, die sich um die zur Diözese Sitten gehörende Pfarrkirche Saint-Jacques gebildet hatte, zum Marktort. Aigle umfasste auch den Ortsteil Les Fontaines sowie die Weiler Fontanney und Vers-Pousaz. 1288 gewährte der Landvogt des Chablais der Gemeinde Aigle das Recht, vier Vorsteher bzw. Prokuratoren zu ernennen. 1314 stellte ihr Amadeus V. von Savoyen einen Freiheitsbrief nach dem Vorbild von Villeneuve (VD) aus. Mit Leysin (bis 1702), Yvorne und Corbeyrier bildete Aigle bis 1831 eine "Grosspfarrei" bzw. Gemeinde, der ein 31-köpfiger Rat vorstand: 13 Mitglieder für den Marktort Aigle, je sechs für die drei Dörfer. Die Gemeindebürger versammelten sich an den Gerichtstagen. Das um 1360 von Aymon de Pontverre gegründete Spital Sainte-Marie wurde 1442 der Bürgerschaft übergeben. 1475 nahmen die mit Bern verburgrechteten Leute des Saanenlandes und des Pays-d'Enhaut die von den de Saillon erbaute Burg Aigle ein und brannten sie nieder. Gegen Zahlung eines Drittels der Einkünfte übergaben sie das eroberte Gebiet der Stadt Bern. Freiburg, das im Vertrag von Freiburg 1476 Rechte über die Region erhalten hatte, trat diese 1483 ab. Die 1489 von den Bernern wieder aufgebaute Burg Aigle wurde zum Vogteisitz. Bis 1798 gehörten Aigle und sein Mandement zum Gouvernement, d.h. zur Vogtei Aigle, und unterstanden der Verwaltung Deutschberns.

Im November 1526 wurde Guillaume Farel Schulmeister in Aigle. Er fand bereits eine Gruppe von Reformierten vor, welcher der bischöfliche Notar Hugues de Loës vorstand. Gegen den Widerstand des Bischofs von Sitten begann Farel unverzüglich zu predigen. Die Reformation konnte sich nach der Disputation von Bern 1528 nur schwer durchsetzen. Die Prioratskirche wurde zur Pfarrkirche. Die alte Pfarrkirche Saint-Jacques diente fortan der deutschsprachigen Gemeinde, von 1836 bis zum Bau der katholischen Kirche Saint-Maurice et Saint-Nicolas-de-Flue (1866) wieder dem katholischen Kultus. In einem Teil des Klosters war vor der Gründung des Gymnasiums (1869) die nur zeitweise geführte Lateinschule untergebracht. Die Kapelle Saint-Pierre wurde abgetragen. Unter bernischer Herrschaft setzte sich der Bürgerrat aus dem Rat der Fünfzig und dem Rat der Zwölf zusammen. Der Rat der Droitures, der aus dem Bürgermeister und den drei Prokuratoren bestand, verwaltete Aigle zusammen mit dem Spitalherrn, dem Herold und untergeordneten Verwaltern. Vom 14. Jahrhundert an verband ein Burgrecht Aigle und Sembrancher. Es wurde 1676 erneuert und bewährte sich beim Hochwasser der Grande-Eau 1740, als die Walliser Gemeinde Hilfe leistete, und 1818, als Aigle nach der vom Glacier du Giétroz verursachten Überschwemmung half. Das Hochwasser von 1740 zog einen politischen Konflikt nach sich: Die Dorfgenossen von Yvorne und Corbeyrier weigerten sich, ihren Anteil an den Schutzbauten zu bezahlen. Die Entdeckung der Salzvorkommen im Jahr 1554 führte zum Bau der Salzwasserleitung von Panex nach Aigle, dann weiter nach Roche (VD), und im 18. Jahrhundert zur Errichtung der Gradierhäuser; die Saline wurde 1798 nach Les Dévens (Gemeinde Bex) verlegt. Die Salzproduktion führte zu einem starken Anstieg der deutschsprachigen Bevölkerung.

Die Helvetische Revolution rief 1798 weder Begeisterung wie in Bex noch Widerstand wie in Les Ormonts hervor. Aigle schloss sich dem neuen Regime an und beherbergte waadtländische wie auch französische Truppen. Im 19. Jahrhundert setzte der industrielle Aufschwung ein: Es entstanden eine Brauerei, eine pharmazeutische Fabrik (Zyma), eine Parkettfabrik, Weinhandlungen (z.B. Badoux), zwei Druckereien und zwei Zeitungen ("Le Messager des Alpes", "Feuille d'Avis d'Aigle"), 1909 eine Essigfabrik (Reitzel) und 1964 ein Metallbau-Unternehmen (Zwahlen et Mayr). Die Eisenbahn begünstigte ab 1858 die Entwicklung des Tourismus: 1901 wurde die Linie Aigle-Leysin in Betrieb genommen, 1907 die Linie Aigle-Ollon-Monthey und 1914 Aigle-Le Sépey-Les Diablerets. 1804 wurde das Spital in das Schloss verlegt, wo der neue Kanton Waadt auch das Gefängnis einrichtete. Als dieses vergrössert werden musste und 1832 auch das Bezirksgericht Räume beanspruchte, wurde das Spital aufgehoben. Das 1867 errichtete Krankenhaus wurde 1932 zum Bezirks-, 1969 zum Regionalspital. Nach der Schliessung des Gefängnisses und der Verlegung des Gerichts (1973) wurde das Schloss Aigle restauriert und 1976 darin das Rebbau- und Weinmuseum eröffnet, inmitten einer Region mit alter Weinbautradition. Aigle ist auch Standort eines Eidgenössischen Zeughauses; das Projekt eines Panzerwaffenplatzes wurde indes nach einer kantonalen Abstimmung 1956 aufgegeben. Die Bevölkerung, die im 19. Jahrhundert zugenommen und dann stagniert hatte, wuchs nach der Eröffnung der Autobahn (1975) und mit dem Bau grosser Wohnsiedlungen in der Ebene stark an.

Quellen und Literatur

  • C. Kraege, «Histoire ecclésiastique de la ville et paroisse d'Aigle», in Revue historique du Chablais vaudois 1, 1978, 5-22
  • F. Moreillon, La ville d'Aigle à la fin de l'époque bernoise, Liz. Lausanne, 1978
  • C. Kraege, Histoire de l'hospitalisation à Aigle, Ms., 1992
  • C. Kraege, Aigle et son château, Ms., 1993 (Gem. Aigle)
  • F.-O. Dubuis, A. Lugon, «Les premiers siècles d'un diocèse alpin», in Vallesia 50, 1995, 3-9
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Jean-Jacques Bouquet: "Aigle (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.06.2009, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002276/2009-06-25/, konsultiert am 29.03.2024.